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Ostern im Zeichen der Bedrohung durch den Terror.

Rom ist das Kreuz, und der Westen ist das Kreuz. Die Römer sind die Patrone des Kreuzes, und das Ziel der Muslime ist der Westen. Wir werden Rom öffnen. Derjenige, der Rom zerstören wird, bereitet bereits die Schwerter vor": Sätze wie diese, aus einem mutmaßlichen El-Kaida-Video, lassen die Nerven blank liegen, zumal sie kurz vor Beginn der Karwoche, da das "Zentrum der Christenheit" verstärkt in den Blickpunkt rückt, bekannt wurden.

Es war nur eine von vielen Horrormeldungen der letzten Tage und Wochen seit dem 11. März, als schlagartig bewusst wurde, dass der Terror auch vor Europa nicht halt macht. Ein verhinderter neuerlicher Anschlag auf einen Zug in Spanien, Drohungen an eine spanische Zeitung, Terrornester auch in Frankreich, Deutschland - Frankfurt, so hieße es zuletzt, sei möglicherweise nur knapp einem Anschlag entgangen; die Krake der islamistischen Gewalt kennt ganz offensichtlich auch keinen Unterschied zwischen "altem" und "neuem" Europa.

Kaum noch behält man die Übersicht über die einschlägigen Meldungen, geschweige denn, dass man die länger zurück liegenden Blutbäder noch auseinanderhalten könnte - wie jenes von Casablanca im Mai 2003, dessen Drahtzieher eben zum Teil der französischen Polizei ins Netz gegangen sein dürften.

Vor allem aber: Wer wüsste die einzelnen Ereignisse, all die Videos, Faxe, Festnahmen, vorgeblich vereitelten Terrorakte einzuordnen, zu gewichten? Die oben zitierte Drohung gegen Rom etwa macht dies deutlich: Vage Vermutungen, gestützt auf den Bericht einer Zeitschrift; laut Süddeutscher Zeitung ist das Band gar bereits im November gefunden worden, die Aufnahme mindestens zwei Jahre alt. Aber, selbst wenn es so wäre - lässt uns das ruhiger schlafen?

Über dem ganzen Konglomerat steht als Chiffre "El Kaida". Das reicht, muss reichen als Schlagwort, als Reizsignal für Headlines - aber es vernebelt mehr als es erklärt. Vielleicht aber entspricht es gerade dadurch dem Phänomen der neuen Bedrohung, die bleiern schwer auf uns allen lastet: ein diffuses Gebilde, immer nur punktuell greifbar, nicht als Ganzes zu fassen, unendlich verzweigt, immer neue Arme und Köpfe bildend. Nur soviel steht fest: Wir haben es mit einer Kampfansage an "den Westen" zu tun - an die Werte von Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft, an individuelle Freiheitsrechte, die unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion gelten. Die Gegnerschaft zu diesem politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Modell bildet die ideologische Grundlage (übersetzt "El Kaida") für den Terror. Etwas, das zu bekämpfen uns gerade die genannten Werte nicht leicht machen, auch nicht leicht machen dürfen. Besonders die ideell durch Christentum, Humanismus und Aufklärung geformten und reell durch die Katastrophen vor allem des 20. Jahrhunderst geläuterten Europäer haben hier große Probleme. Patentrezept gibt es keines, es kann immer nur um eine Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit gehen - die jeweils im Bewusstsein zu treffen ist, dass der Terror einen ersten Sieg errungen hätte, wenn Europa sich selbst verleugnen würde.

Es sind im Wortsinn karge Zeiten, die wir erleben. Etymologisch hängt "karg" mit "Karfreitag" zusammen: der Wortstamm meint Kummer, Trauer, Sorge. Wer wollte leugnen, dass es hierfür reichlich Anlass gibt. Der Blick auf Ostern eröffnet eine größere Perspektive, die vorangehenden Kartage aber können nicht ausgeblendet werden, es sei denn um den Preis der Flucht aus der Realität. Der unserer Existenz angemessene Tag sei der Karsamstag, meinte einmal der Theologe Karl Rahner, dessen 100. Geburtstags und 20. Todestags wir kürzlich gedacht haben. Eine seltsame Ungewissheit, Verstörtheit, Unruhe, eine Art innerer Leere kennzeichnet diesen Tag; es ist noch nicht Ostern. Die Feierlichkeiten des Ostersonntags sind genau aus dieser Spannung heraus zu verstehen. Der österliche Segen des Papstes "Urbi et Orbi" hat, gerade der jetzige Amtsinhaber weiß darum, eben darin seinen Wurzelgrund: er gilt der Stadt und dem Erdkreis in ihrer fortdauernden Karwoche.

rudolf.mitloehner@furche.at

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