Karikaturenhafte Inszenierung

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Als zweite Premiere der Reichenauer Festspiele ist Hermann Bahrs Beziehungskomödie „Das Konzert“ quasi am Ort seines Entstehens (Bahr soll das Stück 1908 am Semmering verfasst haben) im Südbahnhotel zu sehen. Joseph Lorenz und Petra Morzé sind auch heuer wieder Fixstarter, Lorenz gibt den viel umschwärmten Pianisten Gustav Heink, Morzé agiert als Ehefrau Marie an seiner Seite.

Newcomer in Reichenau ist der vom Film kommende Regisseur Götz Spielmann, der für „Revanche“ 2009 für den Oscar nominiert war und heuer bereits sein eigenes Stück „Imperium“ in Graz inszenierte.

Spielmann hat zusammen mit dem Kostümbildner Alfred Mayerhofer eine satirische Lösung für Bahrs „Konzert“ gefunden: Kostüm und Spiel überhöhen die Figuren samt ihren spezifischen Charakterzügen ins Karikaturenhafte, ja Comicartige. Gustav Heink – mit dem obligaten Seidenschal des Künstlers – trägt mit leicht gequältem Lächeln die Bürde des Begehrtseins; Morzés taubengrau-weißes Kleid, die Perlenohrstecker sowie ihr stets sanftmütiges Lächeln sprechen Bände bürgerlicher Gediegenheit gepaart mit weiblicher Raffinesse. Das junge Paar Delfine (Stefanie Dvorak) und Franz Jura (Claudius von Stolzmann) stehen für die Moderne.

Ironische Bandbreite der Figuren

Er mit Cowboy-Hut, den Kleiderbügel noch im Sakko und stets einen Suhrkamp-Band aus der Reihe Philosophie dabei, repräsentiert Bahrs kulturkritische Theorien, während Dvorak in Wanderschuhen mit Absätzen und von erfrischend naiver Lebendigkeit einen Gegenpol zu Maries strenger Haushaltsführung bildet. Karin Lischka als Schülerin Eva Gerndl aber schießt den Vogel ab: In hochhackigen Pumps, einem kleinkarierten Overall trippelt sie über die Bühne. Damit evozieren Kostüme und Spielweise schon in sich Klischees, rufen aber zugleich eine ironisierende Bandbreite der Figuren hervor.

Vor allem Martina Spitzer als Hausmädchen Wehner gelingt diese ausstellende Spielweise besonders; pointiert reagiert sie auf Helmut Thomas Stippichs Klavierspiel, der das Innere der Figuren akustisch nach außen stülpt. Er sitzt mit Sonnenbrille am Klavier, wie ein lässiger Barpianist, der dieses lächerliche Geschehen, in welchem jeder jedem etwas vorspielt, musikalisch kommentiert.

Im zweiten Teil – man wechselt vom gediegenen Speisesaal in den einen wunderbaren Ausblick in die Voralpen bietenden Waldhofsaal – gewinnt die Inszenierung, in der Spielmann leider zu keinem Rhythmus findet, jedoch etwas an Verve. Dazu tragen vor allem Hanno Pöschl als Hausmeister Pollinger in roten Crocs, Gabriele Schuchter als dessen Frau sowie der junge Claudius von Stolzmann bei, der über ein vortrefflich komödiantisches Talent verfügt und in Bahrs Parodie auf eitle Künstlerstars als unkonventioneller Widerpart mit der Logik des Naturwissenschaftlers reüssiert.

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