Karl Markovics’ Film über den Alltag des Todes

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Das Gespräch führten Matthias Greuling und Alexandra Zawia in Cannes

Der österreichische Schauspieler Karl Markovics war in Cannes mit seinem Regiedebüt "Atmen“ in der prestigeträchtigen Nebenreihe "Quinzaine des réalisateurs“ vertreten und erhielt dort den Preis "Europa Cinemas Label“. In "Atmen“ erzählt er durch grandiose Bilder von Kameramann Martin Gschlacht die Geschichte einer verpfuschten Jugend: Ein 18-jähriger Straftäter bekommt zwecks Resozialisierung einen Job bei der Bestattung.

Die Furche: Herr Markovics, woher stammt die Idee zu "Atmen“?

Karl Markovics: Die Grundidee zu dieser Geschichte entstammt meinem Bedürfnis, einen Film über Bestattung zu machen. Über den Tod als Arbeitgeber und den Alltag des Todes. In einer Stadt wie Wien, in der der Tod fast ein Souvenirartikel ist und immer wieder besungen wird. Er hat eine romantische Aura, die der Tod überhaupt nicht verdient, denn er hinterlässt von einem Menschen nichts als einen toten Körper. Es geht um Menschen, die das erledigen, was wir nicht sehen wollen, was aber immer noch da ist: der tote Körper, der auf die eine oder andere Art "entsorgt“ werden muss, so brutal das klingt.

Die Furche: Was hat Sie dazu bewegt, erstmals hinter die Kamera zu treten?

Markovics: Ich wollte schon immer selbst Filme machen, habe auch etliche Drehbücher und Filmideen aufgeschrieben, aber niemals den Mut gehabt, sie auch tatsächlich umzusetzen. Erst als mir meine Frau riet, endlich ein Projekt in Angriff zu nehmen, wurde mir klar, ich müsste es nun versuchen. Man kann nicht ewig träumen und niemals etwas tun, um diesen Traum wahr werden zu lassen.

Die Furche: Bemerkenswert ist Ihr junger Hauptdarsteller Thomas Schubert.

Markovics: Erst, als ich in Thomas einen sehr fähigen jungen Schauspieler entdeckte, entstand daraus die Geschichte zu "Atmen“: Ich fragte mich: Was macht ein 18-Jähriger bei der Bestattung? Und so entstand die Geschichte eines Jugendstraftäters, der einen Job braucht, um bessere Karten für seine vorzeitige Entlassung zu haben. Ich wollte die Entwicklung eines Menschen zeichnen, der keinerlei Drang zum Leben hat. Er ist auch nicht suizidgefährdet, sondern er vegetiert vielmehr vor sich hin.

Die Furche: Gilt dieses Bild für Sie auch stellvertretend für die junge Generation?

Markovics: Ich glaube, für junge Menschen ist es heut viel schwieriger geworden, sich selbst zu entwickeln. Das betrifft die Sexualität ebenso wie das Aussehen und die eigene Positionierung. Die Jugend wächst heute mit enormen ikonografischen Vorbildern auf, wie ein Leben zu sein hat. Wir leben heute in einem einigermaßen gesicherten Wohlstand, was dazu führt, dass junge Menschen heute ohne Vorbilder aufwachsen, weil schon die Elterngeneration diesen Wohlstand miterlebt hat. Daher beschränken sich deren Ratschläge auf ausgetretene Pfade wie: Verdiene möglichst viel Geld, das ist noch am ehesten die Chance, wie du glücklich wirst und abgesichert bist. Alles andere im Leben ist Glückssache. Das stimmt zu einem gewissen Grad, aber was den jungen Menschen sicher fehlt, sind ideelle Vorbilder. Es gibt Bedarf nach Spiritualität und einer Anleitung, wie man ein Leben gut führt.

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