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Akademietheater: Schönherrs „Weibsteufel“ in Martin Kušejs fulminanter Interpretation.

Mit einem sensationellen Erfolg ging das Akademietheater in die neue Saison. Freilich versprach die hochkarätige Besetzung Qualität auf höchstem Niveau, aber immer wieder überraschen Martin Kušejs Lesarten. „Der Weibsteufel“ ist seine zweite Inszenierung eines Karl Schönherr-Stücks, das brachial die Entwicklung einer Dreiecksbeziehung bis zum katastrophalen Ende erzählt.

Dass Schönherr zugleich mit Arthur Schnitzler zu den erfolgreichsten österreichischen Dramatikern des beginnenden 20. Jahrhunderts zählte, ist heute wenig bekannt, ja, Schönherr galt zu seiner Zeit sogar als der treffsicherere Zeichner seiner Gesellschaft und der Geschlechterverhältnisse.

Dreiecksbeziehung und …

In „Weibsteufel“ (1914) gelingt Schönherr etwas, das grundlegend die österreichische Literatur kennzeichnet, nämlich die Kritik an der Sprache, das Entkoppeln von Sprechen und Handeln, und damit zeigt er das Wesentliche der Moderne: Das Subjekt ist nicht mehr Herr im eigenen Haus, die Sprache verselbstständigt sich. Nicht die Figuren entscheiden und sprechen, sondern sie werden „gesprochen“, so wie der Grenzjäger selbst über sich sagt: „Ich weiß nit, was mit mir ist.“

Nachdem Schönherr seinen Text stellenweise in Mundart verfasst hat, bedarf es eines besonderen darstellerischen Zu- und Umgangs mit der Sprache.

Birgit Minichmayr in der Titelrolle zeigt eine weitere Facette ihres Könnens: Mit ihrer brüchigen, heiseren Stimme trotzt sie vorerst dem Ansinnen ihres Mannes, den Jäger zu locken, dann ihrem inneren Feuer, bis sie sich zunehmend zur fiebernden und am Ende kühl-kalkulierenden Frau entwickelt, die – von den Männern manipuliert – selbst ihr Leben in die Hand nimmt. Ihre größte Leistung besteht auch darin, wie sie mit Schoners Mundart umgeht: Sie stellt die Sprache weder distanziert aus, noch imitiert sie Tiroler Dialekt, sondern integriert die Figurenrede derart in ihr Spiel, als wäre „Mann, Du sperrst ein Weib nit ein“ ihr natürlichster, echter Ton. Neben Minichmayrs Kunst, nie prätentiös zu wirken, sieht man gerade auch an dieser Inszenierung Kušejs besondere Fähigkeit der Schauspielerführung.

… Deal mit dem Ehemann

Auch Nicholas Ofczarek – ein begeisterter Körperschauspieler – überzeugt diesmal als zurückgenommener Jäger, der seinen inneren Konflikt zwischen nicht zu bändigender Begierde und kalkulierendem Karrierewillen einpendelt. Am Ende gelingt ihm ein schöner, stiller „Bruch“ in der Figurenfindung, sein „Sterndl“ auf der Uniform, seinen beruflichen Aufstieg opfert er gewiss nicht für eine Frau, sondern er geht einen Deal mit dem Ehemann ein.

Dieser ist mit Werner Wölbern ganz gegen die Figur besetzt: Er ist alles andere als ein kränkelnder Schwächling, ein lausiger Schmuggler, sondern ein feister, bodenständiger Tarzan, der seine Frau als persönliches Eigentum betrachtet. Über die riesigen Baumstämme, die der Bühnenmeister – so will man ihn nennen – Martin Zehetgruber gebaut hat, balancieren die Drei, jagen einander, verstecken sich und kauern wie verlassene Vögel.

Kušej holt aus diesem spannenden, alptraumhaften Beziehungskrimi aber auch viele situationskomische Momente heraus; wieder über die Sprache, die oft unpassend zu den Figuren daherkommt und ein Lachen über das nicht Adäquate bewirkt.

Und so ist es ein veritabler Jammer, dass Kušej sich mit dieser Inszenierung von Österreich verabschiedet. 2011 übernimmt er als Intendant das Bayerische Staatsschauspiel. Aber München ist ja nicht weit weg.

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