Kartoffelpuffer an die Wand genagelt

Werbung
Werbung
Werbung

„Eating the Universe“ – aktuell in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais – erzählt vom Essen in der Kunst. Neben einem historischen Teil, der von den zentralen Arbeiten Daniel Spoerris ausgeht, gibt es einen großen Teilbereich, der aktuelle Eat-Art-Positionen zeigt.

Die Galerie im vornehmen Taxispalais steht üblicherweise für aktuelle Gegenwartskunst, für sperrige Positionen, für eher unbekannte Namen. Diesmal ist aber alles anders: Die Namen mit denen promotet wird sind gängig, reichen von Peter Kubelka über Arman, Joseph Beuys, John Bock, César, Elke Krystufek, Claude und Francois-Xavier Lalanne über Roy Lichtenstein bis Daniel Spoerri, Günther Uecker und Ben Vautier. Und: Es riecht wie in einer Imbissbude ohne Lüftung! Einzig eine gewisse Sperrigkeit der Objekte ist geblieben, Eat Art ist eben nicht für jeden Besucher Kunst.

Gleich links der Raum zieht den Besucher magisch an. Judith Samens „Reibekuchenwand“ – auf gut österreichisch „Kartoffelpufferwand“ – hat einen überaus intensiven Charakter, dominiert olfaktorisch, ist Op-Art in Brauntönen und sehr vergänglich.

Breit angelegte Bestandsaufnahme

Kunst übers Essen und Kunst mit Essen als Material war in den 1970er-Jahren en vogue, als Daniel Spoerri seine Eat Art Galerie in Düsseldorf gründete, für die unzählige prominente Künstler Editionen aus essbaren Materialien und Lebensmittelabfällen produzierten. Spoerri erlebt im Augenblick in Österreich ein Revival, seit ihm in der Wachau ein Museum gewidmet ist; und nachdem Peter Kubelka, ein Zeitgenosse Spoerris, ebenfalls in den 1970er-Jahren für eine TV-Sendung über das Kochen als Kunstgattung den Titel „Eating the Universe“ erfand, ist natürlich einem groß angelegten Rückblick samt Ausblick auf die Gegenwart der Eat Art Tür und Tor geöffnet.

Die Ausstellung, die zum vergangenen Jahreswechsel bereits in der Kunsthalle Düsseldorf gezeigt worden ist und nach Innsbruck an das Kunstmuseum Stuttgart weitergehen wird, besteht aus zwei Teilen und verfolgt damit eine breit angelegte Bestandsaufnahme von Eat Art bis in die Gegenwart. Neben einem historischen Teil, der von den zentralen Arbeiten Daniel Spoerris ausgeht, einige „Fallenbilder“ zeigt, aber auch Teile von Spoerris Rezeptesammlung, sowie Multiples von Joseph Beuys, Roy Lichtenstein, Dieter Roth, André Thomkins, Günther Uecker, Ben Vautier oder Günter Weseler, gibt es einen großen Part, der aktuelle Positionen der Eat Art präsentiert.

Kochen und Essen als gesellschaftliche und kulturelle Inszenierungen. Wirklich verwunderlich ist das Ganze ja nicht, denn Essen und Kochen gelten seit Alfred Bioleks „alfredissimo“ in den 1990ern als Teil des kultivierten Lebens, danach folgten Jamie Oliver und irgendwann Ferran Adrìa, der es als Starkoch mit seiner Molekularküche schließlich bis zur „documenta 12“ schaffte und das Terrain der Kunst besetzte. Damit ist man wieder zum alten Diskurs zurückgekehrt, der in der Frage gipfelt, ob der Koch ein Künstler oder ein Handwerker ist. Im Zweifelsfall wohl beides – wie man auch in der Taxisgalerie sehen kann.

Körper, Schönheitsideale, Essstörungen

Die Bandbreite der präsentierten Positionen der jüngeren Kunstszene ist erstaunlich breit, enthält spielerische, surreale und groteske Elemente ebenso wie architektonische Assoziationen oder etwa Kritik an der Überflussgesellschaft; es geht aber auch um den Körper, um Schönheitsideale, um Essstörungen – manche Künstler und Künstlerinnen arbeiten sehr provokant, andere eher banal, einige hintergründig.

Der Berg aus sieben Tonnen Zucker von Thomas Rentmeister demonstriert nicht nur einen skulpturalen Aspekt mit erstaunlich viel Haptik sondern auch eine satte Portion Konsumkritik. Michel Blazy hingegen legt eine Gratwanderung zwischen Befremdlichkeit und Faszination hin, wenn er seine Lebensmittelbilder von Mäusen oder Mikroorganismen bearbeiten lässt – auch Anya Gallaccios mit Schokolade gestrichener Raum irritiert, ebenso wie Jana Sterbaks „Cakestool“, ein Eisenhocker, dessen Sitzfläche aus einer Schokotorte besteht, was den haptischen Charakter des Objektes ins Negative dreht.

Um dem Thema Essen in allen nur erdenklichen Aspekten Raum geben zu können, hat man sich zu einem äußerst umfangreichen Begleitprogramm entschlossen, das von Performances und Vorträgen über Kochereignisse bis hin zu einer Filmreihe in Leokino und Cinematograph geht.

Eating the Universe. Vom Essen in der Kunst

Galerie im Taxispalais, Maria-Theresien-Straße 45, 6020 Innsbruck

bis 4. 7., Di–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung