Katastrophenrekord im Jahr 2000

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Bilanz der "Münchener Rück": Trotz deutlich geringerer Sach- und Personenschäden weltweiter Anstieg der Zahl der Naturkatastrophen.

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Bilanz der "Münchener Rück": Trotz deutlich geringerer Sach- und Personenschäden weltweiter Anstieg der Zahl der Naturkatastrophen.

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Die Anzahl der Naturkatastrophen hat einen neuen absoluten Rekord erreicht: Weltweit wurden mehr als 850 Katastrophen registriert, 100 mehr als im bisherigen Rekordjahr 1999 und 200 mehr als im Mittel der neunziger Jahre. Die Auswirkungen im Jahr 2000 waren geringer, da die zahlreichen Naturkatastrophen zufallsbedingt vor allem weniger dicht besiedelte Gebiete trafen; dennoch kamen rund 10.000 Menschen ums Leben (Vorjahr: 75.000).

Auch die Schäden lagen diesmal unter den Vorjahreswerten. Die volkswirtschaftlichen Schäden beliefen sich auf mehr als 435 Milliarden Schilling (Vorjahr: 1450 Milliarden), die versicherten Schäden auf 110 Milliarden Schilling (Vorjahr: 320 Milliarden). Das Ausbleiben großer Erdbeben und die glimpflich verlaufene Wirbelsturmsaison bewirkten zusammen mit der diesmal weit gehenden Schadenfreiheit in stark besiedelten Gebieten ein vergleichsweise schadenarmes Jahr. Stürme führen die Jahresbilanz mit mehr als 300 Ereignissen eindeutig an. Sie dominieren die Schadenbilanzen der Versicherer und schlagen mit 73 Prozent der versicherten Schäden zu Buche. Daneben spielten Überschwemmungen - wie in den vergangenen Jahren - eine wichtige Rolle (23 Prozent der versicherten Schäden).

Bisher wurde in 2000 nur eine wirkliche Größtkatastrophe registriert: Wochenlange Überschwemmungen in Mosambik machten im Frühjahr eine halbe Million Menschen zu Obdachlosen und sorgten für weltweite Aufmerksamkeit. Insgesamt waren von den Fluten fünf Millionen Menschen unmittelbar betroffen. Daneben ereigneten sich in allen Teilen der Welt weitere schwere Überschwemmungen, die in die Katastrophengeschichte eingehen: Überschwemmungen Überschwemmungen im Norden und Nordosten Indiens von August bis Oktober mit rund 1.450 Todesopfern und volkswirtschaftlichen Schäden von 17,5 Milliarden Schilling. Massive Überflutungen in Vietnam, Laos, Kambodscha, Malaysia und Thailand im Herbst, die Hunderttausende Häuser unter Wasser setzten. Sturzfluten, Schlammlawinen und Erdrutsche in den Schweizer und italienischen Alpen (Wallis, Aostatal) Mitte Oktober, die volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von rund 125 Milliarden Schilling anrichteten. Die versicherten Schäden belaufen sich voraussichtlich auf etwa 6,8 Milliarden. Wochenlange Überschwemmungen historischen Ausmaßes in ganz Großbritannien von Mitte Oktober bis Mitte Dezember, die Sachschäden von rund 22 Milliarden Schilling anrichteten, wovon etwa 50 Prozent versichert sein dürften.

Die Wirbelsturmsaison 2000 im Pazifik und Nordatlantik erlebte eine durchschnittliche Anzahl von Hurrikanen, Taifunen und Zyklonen; die exponierten Länder kamen aber glücklicherweise glimpflich davon: In Taiwan richtete im August der Supertaifun "Bilis", der im westlichen Pazifik tobte, nur Gesamtschäden von knapp über 1,5 Milliarden Schilling an. "Prapiroon", einer der stärksten Taifune der vergangenen Jahre in Südkorea, der in den letzten Augusttagen über die Halbinsel fegte, verursachte nicht die befürchteten Überschwemmungen. Auch Europa blieb bisher von großen Winterstürmen verschont; im Vorjahr hatten noch bis spät in den Dezember hinein "Anatol", "Lothar " und "Martin" für historische Schadendimensionen gesorgt.

Bei den sonstigen Naturkatastrophen - darunter Winterschäden, Dürren und Waldbrände - sorgte die verheerende Feuersbrunst in den USA für Aufregung. Wochenlang standen nach einer ausgiebigen Dürreperiode Tausende Quadratkilometer Wald in Flammen, hauptsächlich im Westen der USA und in Neumexiko. Tausende Menschen mussten evakuiert werden. Zum Glück gingen nur relativ wenige Häuser in Flammen auf.

Trotz der insgesamt günstigen Schadenbilanz 2000 kann nicht von einer Trendwende gesprochen werden. Wegen der steigenden Weltbevölkerung, die in den hoch exponierten Gebieten und vor allem in den Großstadträumen sogar überproportional zunimmt, und wegen der gleichfalls steigenden Konzentration an Sachwerten ist auch künftig mit einer Zunahme bei den Schäden aus Naturkatastrophen zu rechnen.

Die kürzlich bekannt gewordenen Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) belegen, dass das Thema "Klimaänderung" ernster denn je genommen werden muss. Weder bei den erwarteten Temperaturanstiegen noch bei anderen wichtigen Aspekten, wie beispielsweise dem Meeresspiegelanstieg, gibt es irgendeine Entwarnung.

Vor diesem Hintergrund mahnt Gerhard Berz, Leiter der Forschungsgruppe Geowissenschaften der Münchener Rück: "Wir halten das Scheitern des Klimagipfels von Den Haag im November 2000 für einen schweren Rückschlag und hoffen, dass wenigstens noch die Nachverhandlungen im Sommer 2001 einen weiterführenden Konsens ergeben. Die Klimaerwärmung muss unbedingt gebremst werden. Sonst ist zu befürchten, dass sich die Risikosituation in zahlreichen Regionen der Erde auch für die Versicherer zusätzlich verschärft." Jedenfalls rechnet die Münchener Rück mit einer deutlichen Zunahme von wetter- und klimabedingten Naturkatastrophen.

Auszug aus dem Bericht der Münchener Rück vom 28. Dezember 2000

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