Katholischer Klangkosmos

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Sylvain Cambreling und das Südwestfunk-Sinfonieorchester zelebrierten drei abendfüllende Werke Olivier Messiaens im Rahmen von Graz 2003.

Naturlaute, Vogelstimmen, die Farbigkeit des Regenbogens und der Sterne - die kraftvolle Bildlichkeit der Werke Olivier Messiaens ist durch zahlreiche, äußerst heterogene Einflüsse inspiriert. Der Natur abgelauschte Klangkombinationen verbinden sich mit phantasievoll konstruierter modaler Tonalität und außereuropäisch inspirierten rhythmischen Mustern. Zentrum des Schaffens des ebenso individuellen wie einflussreichen Franzosen, der über sechs Jahrzehnte an der Pariser Kirche de la Sainte Trinité als Organist wirkte, ist jedoch seine tiefe Religiosität, seine Liebe zum katholischen Glauben. Dabei steht Messiaens Verständnis von Katholizismus der ursprünglichen Bedeutung des Wortes nahe: Seinen Kompositionen eignet eine Tendenz zum Allumfassenden, zur pantheistischen Deutung der Welt.

Jeweils etwa 20 Jahre liegen zwischen der Entstehung der drei Werke, die in der Konzertreihe "Ikonen des 20. Jahrhunderts" den Programmschwerpunkt zum Osterfest 2003 bildeten und dem Publikum unterschiedliche Perspektiven boten, in Messiaens Klangkosmos einzutauchen.

Für La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus-Christ (1965-69) für Chor und großes Orchester stellte Messiaen lateinische Bibel- und Messtexte sowie Auszüge aus der Summa theologica des Thomas von Aquin zusammen und unterzog sie einer sehr persönlichen Deutung. Im Zentrum stehen Verherrlichung und Herrlichkeit - für Messiaen zentrale Themen. Resultat ist eine klar strukturierte, expressiv aufgeladene Musik, die die verschiedenen stilistischen Errungenschaften Messiaens von seriellen Techniken bis hin zur Imitation von Vogelstimmen kombiniert. Transzendenz wird in gleißender Klangschönheit als Symbiose von Bedrohlichkeit, Fremdheit, Wärme und Strahlkraft sinnlich erfahrbar.

Transzendente Schönheit

Die Turangalîla-Sinfonie (1946- 48), Teil von Messiaens Tristan-Trilogie, markiert dagegen mit ihrer stilistischen Opulenz den Höhepunkt der ersten Schaffensperiode. Das Stück handelt von "einem amour fatal, einer unwiderstehlichen Liebe, die grundsätzlich zum Tode führt, die gewissermaßen nach dem Tod verlangt, denn es ist eine Liebe, die den Körper übersteigt, die selbst die Voraussetzungen des Geistes übersteigt und sich ins Kosmische erweitert" (Messiaen). Unverkennbar auch an diesem nicht explizit geistlichen Werk die Tendenz, das Irdische zu überhöhen. In ihrer übersprühenden Fülle und rhythmischen Vitalität vermittelt die Musik eine Freude, die jede alltägliche Freude übersteigt.

Kosmische Freude

Eclairs sur l'Au Delà, Messiaens letzte Komposition (1991), zeichnet mit Posaunengeschmetter, Vogelgezwitscher und zarten Streicherkantilenen nochmals ein Bild der Ewigkeit. Sich scheinbar zeit- und endlos verströmend, wecken die Klänge Sehnsucht nach einer göttlichen Welt - entsprechend der zentralen Intention des Komponisten: "Die Größe der Auferstehung, die unsagbare Schönheit jenes Augenblicks, das ist es, was es zu sagen gilt."

Der EuropaChorAkademie und dem Südwestfunk Sinfonieorchester gelangen unter Chefdirigent Sylvain Cambreling atemberaubende Interpretationen. Nicht zuletzt dank der mit beeindruckender Virtuosität und Einfühlsamkeit agierenden Solisten: Markus Bellheim, Klavier, Valérie Hartmann-Claverie, Ondes Martenot - ein elektronisches Instrument mit betörend singendem Ton -, Gunhild Ott, Flöte, und Reinhard Latzko, Violoncello.

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