Katholischer Kompromiss

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Die jüdische Auseinandersetzung mit der christlichen Theologie ist sehr oft auf das protestantische Denken bezogen. Die Beschäftigung mit der "Alten Kirche" fällt weit weniger intensiv aus. Und doch findet sich eine gedankliche Auseinandersetzung bei Leo Baeck, die in der Einsicht mündet, dass es dem katholischen Denken gelungen sei, den paulinischen Einfluss in der Kirche abzuschwächen.

Nach Baeck bedurfte dafür die Alte Kirche der Hebräischen Bibel und seines Sittengesetzes. In seinem Aufsatz "Judentum in der Kirche" von 1925 beschreibt er, wie die katholische Kirche dementsprechend das Prinzip vom Glauben und den Werken aufgestellt habe und damit sowohl dem Alten wie dem Neuen Testament sein Recht zuerkannte. Das werde dadurch ersichtlich, dass der Brief des Jakobus ins Neue Testament aufgenommen worden sei, diese unnachgiebige Streitschrift gegen Paulus und dessen Satz, dass der Mensch durch den Glauben ohne die Werke des Gesetzes gerechtfertigt werde. Jakobus setzt dem entgegen, dass der Mensch gerechtfertigt wird aus den Werken und nicht aus dem Glauben allein (Jak 2,14-26).

Die katholische Lehre wurde nach Leo Baeck damit auf dem Fundament dieses geschichtlichen Kompromisses mit dem Jüdischen entwickelt. Das ist aus jüdischer Sicht die Leistung, die das Papsttum immer wieder mit großer diplomatischer Kunst vollbracht hat, dass es den Kompromiss zwischen Glauben und Werken aufrechtzuerhalten vermochte. Augustinus heilig gesprochen zu haben und dennoch der Irrlehre des Pelagius immer wieder Wirkung zu verschaffen, das macht die Leistung der Päpste aus. So hat die katholische Kirche durch die Werkgerechtigkeit eine Brücke zum jüdischen Ursprung geschlagen, über die die refomatorischen Kirchen mit ihrer Betonung der Unverfügbarkeit der Gnade nicht ohne weiteres gehen könnten.

Der Autor, Rabbiner, ist Prof. f. Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit an der Uni Potsdam

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