Kein Beifall aus der falschen Ecke

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Viele Intellektuelle versagen sich die Heimatliebe. Wer aber unversöhnlich und kompromißlos ist, kommt auf keinen grünen Zweig.

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Viele Intellektuelle versagen sich die Heimatliebe. Wer aber unversöhnlich und kompromißlos ist, kommt auf keinen grünen Zweig.

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Am 13. Dezember 1995 hielt ich auf Einladung der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtags Frau Angela Orthner bei einer Gedenksitzung aus Anlaß der 50. Wiederkehr der ersten Sitzung des Landtages nach dem 2. Weltkrieg die Festrede. Man suchte und fand in mir einen der vielleicht nicht so häufigen heimatverbundenen und zugleich heimatkundigen Literaten, der für diese Aufgabe geeignet sein könnte. Ich kenne einige oberösterreichische Kollegen, die dafür nicht in Frage kämen und es sind bedeutende Schriftsteller darunter. Namen kann ich mir sparen. Eine solche Rede ist ja nun wirklich eine Gratwanderung: Wie loben ohne zu lügen! Wenn man nicht überhaupt wie jener strenge Ohlsdorfer den Standpunkt vertritt: Es gibt nichts zu loben! Und mancher würde das Land vielleicht gerne loben und lieben, wenn da nicht die Landsleute wären, oder einige besondere Exemplare. In einem Lied heißt es: Öberösterreich, i han di gern, und i loß ma's a nit wehrn ... Viele Intellektuelle freilich lassen es sich wehren. Wegen einiger "Versager" versagen sie sich Heimatliebe. Das Nest ist ihnen zu schmutzig. Ist man unversöhnlich und kompromißlos, so kommt man freilich, von welcher Seite man sich auch nähert, auf keinen grünen Zweig, um im ornithologischen Wortschatz zu bleiben. Und so sind eben viele ihrem Heimatland nicht grün ...

Alle Landsleute mit meiner Rede zufriedenzustellen, ist freilich nicht einmal mir, einem äußerst harmoniesüchtigen Menschen, gelungen. Zwar steht im Protokoll jener Festsitzung, es habe nach der Ansprache allgemeinen "Beifall im ganzen Haus" gegeben, doch scheint dies nicht ganz zutreffend. Ein Theologe und Historiker, ein durch viele Publikationen gerade auch zum Widerstand in Oberösterreich ausgewiesener Wissenschaftler, den ich in meinen Schreibarbeiten schon manchmal zitierte, hat mir später erzählt, daß er, bei jener Versammlung anwesend, genau gesehen habe, daß der Applaus einer bestimmten Seite demonstrativ ausgeblieben sei, "allgemein" sei er also keineswegs gewesen. Und mein Gewährsmann wußte wie ich, woran es gelegen war. Ich hatte zu viel und zu ehrfürchtig von Franz Jägerstätter gesprochen. Auch hatte ich gesagt, daß ich gern nur von den prächtigen Vierkanthöfen und dem in meinen Augen bedeutendsten oberösterreichischen und österreichischen Symphoniker Anton Bruckner "künden" möchte, daß aber nun einmal Ansfelden nicht weit von Mauthausen und Hartheim entfernt liege. Ich will mich nicht loben und es liegt mir auch weniger am allgemeinen Applaus als es hier oder überhaupt scheint. Doch guten Gewissens kann ich diesmal sagen, daß ich aus meinem Herzen keine Mördergrube und klar gemacht habe, was ich meine. Das möchte ich einem Kollegen gesagt haben, der in einer deutschen Zeitung schrieb, zur Nazizeit sei mir weiter nichts eingefallen als das Lippenbärtchen meines Vaters. Damals habe ich mir doch mehr einfallen lassen ...

Ein anderer Gewährsmann, ein ebenso glaubwürdiger Zeuge wie jener Theologe und Historiker, mein Bruder nämlich, hat mir erzählt, daß der Wortführer jener Gruppe, die mir den Beifall versagte, beim Begräbnis eines Bürgermeisters in der Nachbargemeinde Krenglbach, den verstorbenen Amtsträger in den höchsten Tönen gelobt hat. De mortuis nihil nisi bene. So weit so gut. Doch habe sich der Trauerreder dann zu der Behauptung verstiegen, der Heimgegangene sei sein Lebtag seiner Gesinnung treu geblieben und habe für sie sogar Verfolgung und Kerker auf sich genommen. Der Kerker aber, von dem da die Rede war befand sich in Glasenbach. Es war dies eine Rede, die Widerspruch verdient hätte, auch am Grab, ja gerade am Grab. Die Toten können sich nicht wehren. Einige um den Verstorbenen Trauernde fühlten sich aber regelrecht erpreßt und zum Schweigen verdammt. Alle nämlich machten gute Miene zum bösen Trauerspiel. Wir Oberösterreicher sollten uns überhaupt nicht als Überösterreicher aufspielen. (Und von Oberdonau wollen wir endgültig schweigen!) Das beste was wir bei einer Gelegenheit wie dieser sagen können, sagt uns die Kirche mit einem Psalmenwort: Wolltest der Sünden Du gedenken, o Gott, wer könnte da bestehen ...

Denn von der Donau bis zum Inn, da herrscht a gmüatlich froher Sinn. Ja es gibt ihn tatsächlich, trotz allem oder trotz manchem, unschuldig und arglos, so sicher und verläßlich wie es in den vier Vierteln Vieh und Troad und Schmoeds und Gjoad und Soeds und Flachs gibt ...

Höre Österreich!

Am oberösterreichischsten heimelt mich immer noch die dort gesprochene "mittelbairische" Mundart an, über die ich an der Universität Wien dissertiert habe. Genau genommen war die Mundart von Pichl bei Wels mein Thema. Gern habe ich darum in den vergangenen Jahren die Interviews eines Innviertler Bauernsohnes und Skispringers gehört, was aber gar nicht an meinem Interesse am Sport lag. Aber ein wenig hörte ich, wenn ich dem Jüngling aus Waldzell zuhörte, sogar meinen längst verstorbenen Vater, einen geborenen Tumeltshamer, obwohl der natürlich nie vom K-Punkt und Punkterichtern, sondern von Getreide und Mehl gesprochen hatte. Vom Wetter, das in der Landwirtschaft und beim Skifliegen eine Rolle spielt, sprachen wieder beide. Unterschiedlich, aber in ihrer Eigenart etwas Besonderes sind die oberösterreichischen Mundarten, wie die Landesviertel selbst. Und es ist eine wirklich sympathische Einmaligkeit, daß sich dieses Bundesland als einziges in Österreich eine Landeshymne in Mundart gegeben hat. Da können die anderen nicht mitsingen, sondern nur zuhören. Höre Österreich!

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