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die furche: Was soll beim EU-Konvent schlussendlich herauskommen?

reinhard bösch: Am Ende des Konvents soll ein Verfassungsvertragsvorschlag herauskommen, der sicherstellt, dass Länder von der Größe unserer Republik auch in der erweiterten und erneuerten Union in allen Gremien ihren Stellenwert haben und dort auch nach wie vor gut vertreten sind.

die furche: Befindet sich Europa mit diesem Konvent an einem entscheidenden Wendepunkt?

bösch: Das denke ich eigentlich nicht. Ich bin auch keiner, der vom Konvent erwartet, dass er einen großen Wurf erzwingt. Die Integration Europas braucht Zeit. Diese Zeit müssen wir den Völkern Europas geben, wenn die Integration gelingen soll. Diejenigen, die das über das Knie brechen wollen, gefährden das Projekt, weil ihnen die Völker dabei nicht folgen werden. Ich sehe im Konvent einen wichtigen Schritt, aber nicht den ersten und auch nicht den letzten.

die furche: Bundesstaat, Staatenbund - wie soll das Europa 2030 ausschauen?

bösch: Es soll nach meinem Gefühl nicht analog zu den USA die Vereinigten Staaten von Europa geben. Den zentralistischen Bundesstaat wünsche ich mir nicht. Die Union wie sie sich jetzt präsentiert, wird von Verfassungsrechtlern als Staatenverbund bezeichnet. Das scheint mir der richtige Begriff zu sein. Für die Einigung Europas, wie wir sie derzeit erleben, gibt es keinen verfassungsrechtlichen oder historischen Präzedenzfall. Das ist ein vollkommen neuer Weg, der hier beschritten wird. Und auch die Frage der Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Nationalstaaten ist ein vollkommen neues Feld.

die furche: Braucht es zur Orientierung auf diesem neuen Weg eine europäische Verfassung?

bösch: Wir haben schon viele Verfassungsverträge auf Unionsebene beschlossen. Es wird aber auch vieles Neues geben müssen. Ich denke, das wird ein Kompendium sein an dessen, was bisher erreicht worden ist und was der Konvent neu angedacht hat.

die furche: Gibt es für Sie eine gemeinsame österreichische Linie?

bösch: Das ist noch schwer abzuschätzen. Im Interesse aller österreichischen Politiker im Konvent sollte es aber liegen, dass die Republik Österreich auch in einer erweiterten und erneuerten Union ihren Stellenwert behält. Das wird sicherlich österreichische Linie werden müssen, für jeden Österreicher der im Konvent sitzt.

die furche: Müssen die Nationalstaaten noch mehr Kompetenzen an europäische Institutionen abgeben?

bösch: Die Regierungen haben bisher schon Macht abgegeben. In den letzten Jahrzehnten gab es ja schon die Entwicklung, dass die Union Kompetenzen im legislativen und exekutiven Bereich an sich gezogen hat. Die nationale Ebene hat bereits viele Kompetenzen abgegeben. Es geht eigentlich nur darum, Spielregeln zu finden, die dieses Abtreten in eine faire Gegenseitigkeit verwandeln. Das muss das oberste Ziel sein.

die furche: Sind Sie zuversichtlich, dass die Nationalstaaten dem Ergebnis des Konvents zustimmen werden?

bösch: Einerseits hat der Konvent keine große Entscheidungsbefugnis. Die Entscheidungsbefugnis haben die Staats- und Regierungschefs, die voraussichtlich im Jahre 2004 zu diesem Thema tagen werden. Andererseits hat der Konvent aber eine große politische Bedeutung. Wenn es dort tatsächlich gelingt, irgendetwas einstimmig zu beschließen, dann müssen die Regierungschefs schon sehr gute Argumente vorbringen, wenn sie dem nicht folgen wollen. Zum Schluss liegt es, wie gesagt, an den Regierungschefs, ob sie den Konvents-Beschlüssen folgen oder nicht. Das werden dann aber sie verantworten müssen.

Die Gespräche führte Wolfgang Machreich.

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