Kein Kind von Traurigkeit

19451960198020002020

Stift Göttweig zeigt in einer sehenswerten Schau seinen großen Abt und Bauherren der Barockanlage Gottfried Bessel.

19451960198020002020

Stift Göttweig zeigt in einer sehenswerten Schau seinen großen Abt und Bauherren der Barockanlage Gottfried Bessel.

Werbung
Werbung
Werbung

Gottfried Bessel", eine Ausstellung im Benediktinerstift Göttweig wirft einen umfassenden Blick ins Klosterleben der Barockzeit. Vor 250 Jahren starb Gottfried Bessel. Mit dem Benediktinerstift Göttweig, das herrschaftlich über den Niederungen der Wachau thront, hat sich der Abt ein beinahe ewiges Denkmal gesetzt.

Eine Ausstellung beleuchtet die schillernde Persönlichkeit des vielseitigen Kirchenmanns und läßt so die Epoche einer mächtigen klösterlichen Vergangenheit wieder aufleben. Porträts aus verschiedenen Lebensaltern des einflußreichen Mannes machen die Entwicklung des pausbäckigen jungen Klerikers bis hin zum mächtigen Bauherrn nachvollziehbar. Das Abtkreuz vor der Brust, der Bauplan zum Stift auf einem Tisch und eine Perspektive der fertigen Anlage im Hintergrund zeigen ihn am Gipfel seiner Macht.

Der selbstbewußte Mann mit dem bestimmten Gesichtsausdruck prägte ein wesentliches Stück österreichischer Kulturgeschichte und machte Göttweig zum Zentrum von Kunst, Forschung und Wissenschaft. Mit Lucas von Hildebrandt beauftragte er einen der besten Architekten mit dem Bau einer Stiftsanlage, die dem Vergleich mit einem Kaiserpalast standhält. Gästezimmer für einkehrwillige Mitglieder des Hofes standen im weltoffenen Kloster immer bereit, sie sind bis heute Zeugen feinsinnigster Wohnkultur. Das blaue, das türkise oder das Turmzimmer bestechen jedes durch erlesene Eigenart der Gestaltung, mußten sie doch Mitgliedern des Hofes als temporäre Wohnstatt dienen.

Immerhin war Abt Bessel der geistliche Betreuer der Gattin Karls VI., die für ihre Heirat vom evangelischen Glauben zum Katholizismus übertrat. Ein Deckenfresko Paul Trogers belegt in der Verherrlichung Karls als Gott, der das Goldene Zeitalter in Österreich hereinbrechen läßt, die engen Verbindungen zum Stift ebenso wie der Besuch Maria Theresias beim Priesterjubiläum des Abtes. Die vielschichtigen Verbindungen des Kirchenmannes haben bis heute Spuren in Göttweig hinterlassen.

Als Sammler trug der Abt Pretiosen seiner Zeit zusammen, die im Turmzimmer zu sehen sind. Holzschnitzarbeiten, Elfenbeinlusterkugeln, ein Kegelspiel und erfrischend naive Darstellungen des Turmbaus zu Babel oder der Einschiffung von Tieren in die Arche Noah aus dem 16. Jahrhundert zum Beispiel. Bessel war aber mehr als ein Sammler, er agierte auch als einflußreicher Diplomat, Wissenschaftler, Rektor der Wiener Universität, Buchautor und Förderer von Erfindungen. Das "Cronicon Gotwicense" schrieb er selbst. Originale Druckplatten zum Werk geben Einblick in die Herstellung von Büchern der damaligen Zeit.

Den Lebensweg des Abtes Bessels zu verfolgen, bedeutet, die kulturellen Höhenflüge einer entdeckungsfreudigen Epoche nachzuvollziehen. Dabei verdienen die originellen Erfindungen und technischen Errungenschaften, die er anregte, genauso viel Ehrfurcht wie das vielschichtige Geflecht seiner diplomatischen Verbindungen. Ein Materialaufzug und ein Wasserpumpwerk belegen einen durchaus profunden Sinn fürs Praktische. Besonders vergnüglich ist ein Blick in den Handkalender, an dem zu jedem Datum warme, trübe Luft oder Sonnenschein vermerkt sind.

Im Notizbuch des Abtes finden sich handschriftlichen Anmerkungen, was beweist, daß volle Terminkalender keine Erfindung der Moderne sind. Auch die Darstellung der Mönche auf der Pirsch im Jagdzimmer ist sehenswert. Weltfremde Kinder von Traurigkeit waren sie jedenfalls nicht.

Bis 15. November, täglich 10-18 Uhr, Stift Göttweig, Niederösterreich, Tel. 02732/85581 DW 231

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung