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Umberto Eco über Terror und Krieg, heute und im Mittelalter.

Umberto Eco saß am 11. September 2001 in der Universität in Bologna und korrigierte Examensarbeiten, als ein Mitglied des Professorenteams ihn aus seiner Arbeit herausriss und vom Terroranschlag in New York berichtete. Umberto Eco: "New York war schon immer eine der beiden Städte, in der ich mir vorstellen könnte zu leben. In New York hätte ich nie Heimweh, ich liebe diese Stadt. Die Architektur von New York gab mir immer das Gefühl absoluter Schönheit."

Nach dem Anschlag ist für Eco nichts mehr wie es war. "Das ist in den letzten Tagen oft gesagt worden und es beschreibt vor allem die menschliche Tragödie und auch die politischen Dimensionen. Aber vielleicht sind die Folgen noch sichtbarer." Haben für Umberto Eco die Attentate in den USA etwas mit Krieg zu tun? Für den Literaturprofessor verändert sich das Konzept vom Krieg schon seit einigen Jahren. Der Golfkrieg war der erste in der Geschichte der Menschheit, der nicht begonnen wurde um den Feind zu vernichten. In diesem Krieg konnte man den Feind noch mit Drohungen erschrecken. "Aber jetzt hat die Welt es mit Leuten zu tun, die sich selbst umbringen. Was soll man da tun? Bis zum 11. September waren die USA noch davon überzeugt, dass die Todesstrafe ein Abschreckungspotential bildet. Aber wie will man damit Leute abschrecken, die sich mit einem Flugzeug in ein Hochhaus stürzen?"

Wenn dies ein Krieg ist, richtet er sich weder gegen einen konkreten Feind noch gegen ein konkretes Territorium: "Das in den USA ist eine Art Krieg. Ein ,nicht erklärter Krieg'. Sie erkennen es daran, dass unser aller Leben auf den Kopf gestellt ist." Umberto Eco ist seiner eigenen Meinung nach kein Moralist, sondern Realist: "Das Problem nach dem 11. September ist nicht so sehr, ob die USA oder die NATO Gerechtigkeit üben, wenn sie bei einem Militärschlag unschuldige Menschen töten. Das Problem ist, dass sie mit einem Militärschlag weitere terroristische Gegenschläge provozieren können. Die Amerikaner könnten sagen, okay, lasst uns Mekka bombardieren. Wenn ihr nicht an eurer heiligen Stätte angegriffen werden wollt, helft uns gegen den Aggressor. Aber wenn sie Mekka bombardieren, käme dies einer allgemeinen Kriegserklärung an alle Muslime gleich."

Ist der Terroranschlag von New York und Washington eine Angelegenheit des 21. Jahrhunderts oder gab es derartiges schon früher, etwa in der angestammten Zeit Professor Ecos, nämlich im Mittelalter? Im Mittelalter gab es die Kreuzzüge und die Terroranschläge etwa des ,Alten vom Berge' ausgeführt von den Assassinen. Umberto Eco: "Um im Mittelalter tausende von Menschen zu ermorden, brauchte man zwei oder drei Tage. Da hatte jeder Einzelne doch immer die Hoffnung zu entkommen. Bei dieser neuen Form von Massaker von heute kann niemand mehr flüchten. Wer zufällig am Ort ist, muss sterben. Die Morde und Terrorakte des Mittelalters standen meist im Namen Gottes. Ein Zeichen, das sich offenbar heute im 21. Jahrhundert wiederholt."

Wie in einem Kreuzzug. "Ein Kreuzzug wäre der größte Fehler, den wir begehen könnten. Wir können nicht Fundamentalismus und Terrorismus mit dem Islam gleichsetzen. Der Islam basiert auf Toleranz. Als Saladin Jerusalem eroberte, brachte er nur die Tempelritter um, das war für ihn die SS der Zeit. Aber den Rest der Menschen ließ er am Leben. Wenn wir einen ,Kreuzzug' beginnen, wird das die Welt in einen Zustand eines permanenten Krieges versetzen. Und ein Kreuzzug wäre heute nicht mehr auf Territorien beschränkt. Ein Kreuzzug wäre verrückt und beschwerlich."

Umberto Eco neuestes Buch über die Schönheit und den Schrecken des Mittelalters, über Kreuzzüge und einen bezaubernden Lügner, "Baudolino" ist bei Hanser erschienen.

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