Kein Porträt der Gesellschaft

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Der 1962 erschienene Roman "Das Narrenschiff" von Katherine Anne Porter, dessen Bearbeitung unter der Regie von Dus an David Par ízek die Spielsaison im Volkstheater eröffnete, schildert eine Seereise, die im Spätsommer 1931 eine bunt zusammengewürfelte Menschenschar vom mexikanischen Vera Cruz nach Bremerhaven führt.

Diese Einheit des Ortes - zudem als emblematisches Bild menschlichen Zusammenlebens fast kitschig offensichtlich - mag sich für eine Theaterbearbeitung anbieten. Trotzdem ist es keine geringe Herausforderung aus dem Roman der knapp 700 Seiten umfasst, weit über zwei Dutzend Hauptpersonen versammelt, aber weder einen Haupthelden noch eine eigentliche Fabel aufweist, eine taugliche Bühnenversion zu fabrizieren. Erschwerend kommt hinzu, dass Porters Stärke in genauen Beobachtungen liegt, die sie mit einer bemerkenswerten Vielzahl ausgesuchter Adjektive zu schildern pflegt. Als Kern ergibt sich aus der unübersichtlichen Anzahl von Handlungssträngen und Nebenepisoden eine Landkarte nationaler mentaler Dispositionen. Dabei bedient Porter nicht nur nationale, kulturelle und ethnische Ressentiments. In einer Art misanthropischem Furor buchstabiert sie das Register der mannigfaltigen Spielarten menschlicher Niedertracht beinahe ganz durch. Vorbild war ihr die gleichnamige Moralsatire des Sebastian Brant aus dem Jahr 1494. Allerdings ist dessen karnevalistische Munterkeit und feine Ironie Porter gänzlich fremd.

Nach dem dreieinviertelstundenlangen Abend fragt man sich, was denn Par ízek an Porters Roman interessiert haben mag. Denn nicht nur sind ihm die Narren seiner Zwangsgemeinschaft so plakativ geraten, dass darin die menschlichen Unzulänglichkeiten und die Verwerfungen der zeitgenössischen Gesellschaft zwar unschwer zu erkennen sind, das aber zu keiner weiteren Erkenntnis beiträgt. Dazu ist das Geschehen von einer Unentschiedenheit, die ratlos macht. Es möchte wichtig sein -etwa wenn das Elend der im Unterdeck zusammengepferchten 876 spanischen Gastarbeiter angesprochen wird und dabei das Publikum angeleuchtet wird -und es ist gleichzeitig verspielt, etwa wenn ein Übersetzer den deutschen Schauspielern Wiener Jargon beibringt. Insgesamt wirkt der Abend ungeachtet der Romanbearbeitung auch inszenatorisch unfertig, überladen mit kunstgewerblichen Einfällen verschiedenster Art. Dem Schauplatz des Kreuzfahrtschiffes geschuldet, wirkt er wie ein üppiges Buffet. Und wie dort vermag es nicht zu verhindern, dass sich gähnende Langeweile breit macht.

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