"Kein Tauschgeschäft mit Brennertunnel"

Werbung
Werbung
Werbung

Finanzminister Karl-Heinz Grasser erwartet sich von der EU, dass sie mit Budgetmitteln so sorgsam umgeht wie Österreich - dann sei die EU auch mit einem Prozent

finanzierbar.

Die Furche: Herr Bundesminister, "mehr Europa kostet mehr Geld" hat eu-Kommissionspräsident Barroso seine Forderungen für ein höheres EU-Budget gerechtfertigt; wollen Sie weniger Europa?

Karl-heinz Grasser: Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass jene Mitgliedstaaten, die mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission nicht einverstanden sind, damit automatisch auch weniger Europa wollen. Worum es uns und den anderen Nettozahlern geht, ist eine sparsame und effiziente Verwendung der Haushaltsmittel, ist ein nachweisbarer Mehrwert für Europa bei sämtlichen Gemeinschaftsprogrammen.

Die Furche: Wie soll die sowohl größen- als auch aufgabenmäßig erweiterte Union mit weniger Mitteln auskommen können?

Grasser: Man kann nicht auf geänderte Prioritäten - die es mit der wirtschaftlichen Heranführung der neuen Mitgliedstaaten und der Verwirklichung der Lissabon-Ziele zweifellos gibt - damit reagieren, dass man global das Ausgabenvolumen erhöht. Neue Prioritäten setzen, neue Prioritäten finanzieren, heißt vor allem, bisherige Prioritäten kritisch zu hinterfragen, heißt die erreichten Ergebnisse zu bewerten und die Einsparungspotenziale konsequent zu nutzen. Diese Grundsätze gelten für die nationalen Haushalte, und sie müssen gleichermaßen auch für die eu-Finanzen gelten.

Die Furche: Ein Prozent des bne ist eine leicht einprägsame Zahl, so wie es das Nulldefizit in Österreich war - aber was ist der wirtschaftliche oder steuerliche Grund für ein Prozent?

Grasser: Das 1-Prozent-Ziel ist nicht willkürlich gewählt, weil einprägsam, sondern Ergebnis einer sorgfältigen Analyse des eu-Kommission-Vorschlags. Wenn den Grundsätzen der Effizienz und Sparsamkeit Rechnung getragen wird, stehen der Union auch mit einem Prozent genügend Mittel zur Verfügung, um die Aufgaben der kommenden Jahre angemessen finanzieren zu können. Außerdem: Es führt auch eine Ausgabenbegrenzung der Union auf ein Prozent zu einer deutlichen Erhöhung der eu-Mittel.

Die Furche: Sind österreichische Steuergelder in der eu nicht gut aufgehoben, verschwendet die eu Geld?

Grasser: Ich bin absolut dafür, dass die Union mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist und die wirtschaftlich stärkeren die wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsstaaten unterstützen. Das ist eine Frage der Solidarität und ein Eckpfeiler unseres gemeinsamen Europas. Ich meine auch, dass die Verwendung der Gemeinschaftsmittel im großen und ganzen korrekt erfolgt. Wir können hier in den letzten Jahren signifikante Verbesserungen feststellen. Aber die Berichte über den Haushaltsvollzug zeigen - insbesondere jene des Europäischen Rechnungshofes: Es gibt noch immer zahlreiche Unzulänglichkeiten und Schwachstellen im konkreten Budgetvollzug, an deren Beseitigung müssen wir arbeiten.

Die Furche: Mit Ihrer 1-Prozent-Linie bringen Sie Verkehrsprojekte wie die transeuropäischen Netze oder auch den Brennertunnel in Gefahr. Wie wollen Sie diese Projekte finanzieren?

Grasser: Das 1-Prozent-Ziel ist machbar, wenn klare Prioritätensetzungen erfolgen. Aus österreichischer Sicht besteht innerhalb dieses Rahmens eines der vorrangigen Ziele darin, einen möglichst hohen Anteil der Budgetmittel auf die Finanzierung der Transeuropäischen Netze (ten) zu konzentrieren. Der Brenner Basistunnel ist ein österreichisches Projekt, er ist aber vor allem auch ein europäisches Projekt. Daher erwarten wir uns auch entsprechende Unterstützung seitens der eu und der anderen Mitgliedstaaten. Einen Abtausch höherer ten-Zuschüsse gegen die Aufgabe unserer Nettozahlerposition wird es daher nicht geben.

Die Furche: Betreiben Sie auf EU-Kosten österreichische Innenpolitik?

Grasser: In Österreich haben wir innerhalb der letzten Jahre große Anstrengungen unternommen, um die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu halten. Wir haben gezeigt, dass zusätzliche Ausgaben, etwa in Forschung, Entwicklung, Bildung und Ausbildung, oder auch im Bereich der Infrastruktur mit den Grundsätzen einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik sehr wohl in Einklang zu bringen sind. Dazu müssen die Einsparungspotenziale in anderen Bereichen - etwa bei der Verwaltung - konsequent genutzt werden. Österreich und andere Mitgliedstaaten haben das erfolgreich vorgezeigt, und es ist daher nicht einsichtig, weshalb diese Strategie nicht auch auf den eu-Haushalt anwendbar sein soll. Das hat nichts mit innenpolitischem Überlegungen zu tun, sondern das ist der Kern einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Finanzpolitik.

Das Gespräch führte

Wolfgang Machreich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung