"Keine Hirnkrämpfe"

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Echtes Repertoiretheater in einer ländlichen Grenzregion: Das "Wald4tler Hoftheater".

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Echtes Repertoiretheater in einer ländlichen Grenzregion: Das "Wald4tler Hoftheater".

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Wir sind ein Team aus lauter engagierten Individualisten. Das war immer eine Herausforderung und ist gleichzeitig das Geheimnis unseres Erfolges", weist Harald Gugenberger, der Intendant des Waldtler Hoftheaters in Pürbach in die Runde. Nahezu alle Mitarbeiter sind seit Jahren mit dabei.

Eigentlich sollte der alte Bauernhof in der kleinen Ortschaft bei Schrems ein Ruhepol für die Familie und Probenort für den Musiker Gugenberger werden, der Anfang der achtziger Jahre noch mit seiner Comedy-Truppe "Revue Blamage" durch die Lande zog. Doch die Künstlerklause lockte sehr bald weitere kreative Gäste und die Generalproben Zuschauer an, bis schließlich im Freundeskreis die Idee mit dem Theater Gestalt annahm. Zunächst wurde renoviert, dann gründeten unter anderen er, seine Frau, die Schauspielerin Stella Hierländer, sein heutiger Kompagnon Reinhold Hartl-Gobl, Camillo und Erwin Schmölzer, Wolfgang Böck, Willibald Katschthaler die Waldviertler Kultur Initiative. 1987 startete das damals noch "Festspielhof" genannte Wald4tler Hoftheater mit seiner ersten Theaterproduktion und ersten Veranstaltungen unter dem Titel "Waldviertler August". 1.200 Besucher kamen an den drei Wochenenden, 1990 waren es bereits 11.000 mit 70 Veranstaltungstagen und drei Theaterproduktionen.

Gerne erinnert sich Gugenberger heute an die tatkräftige Unterstützung der Pürbacher, an die Bauern, die mit ihren Traktoren kamen oder die Frauen aus der Ortschaft, die auch mal an den Theaterabenden für die kulinarische Verpflegung der Besucher sorgten. "Unser Publikum und wir haben eine gemeinsame Geschichte. Zusammen sind wir aneinander gewachsen", schätzt er heute den immer engen und direkten Kontakt mit den Leuten aus der Umgebung.

Weniger gerne denkt er an den mangelnden Weitblick der Kulturpolitiker zurück: "Keiner konnte sich vorstellen, daß es möglich ist, hier in dieser entlegenden Region ein professionelles Repertoiretheater zu installieren. In den Kulturabteilungen haben mich alle schlicht ausgelacht." Fünf Millionen Schilling mußten privat aufgebracht werden, und die Rückzahlung der Kredite bereitete dem Theaterchef bis zur Entschuldung vor vier Jahren einige schlaflose Nächte.

Mit fünf bis sechs Theaterproduktionen pro Jahr, Gastspielen aus Musik, Kabarett, Comedy, Literatur und zirka 15.000 Besuchern an etwa 110 Veranstaltungstagen ist das Wald4tler Hoftheater mittlerweile das kulturelle Aushängeschild des Waldviertels. Drei Eigenproduktionen, Johann Nestroys "Frühere Verhältnisse" bei der Gugenberger selbst erfolgreich Regie geführt hat, Thomas Brandons Komödienhit "Charleys Tante" in einer Inszenierung von Viktoria Schubert, das makaber komische Volksstück "Ruhig Bua!" von Fitzgerald Kusz (Regie: Michael Gampe) mit der Premiere am 10. Juli, eine Coproduktion mit dem Donaufestival: Samuel Becketts "Warten auf Godot" (Regie: Michael Sturminger) und eine Reihe von Gastspielen, unter anderem vom Kleinen Theater Salzburg mit Bernhard Slades Komödie "Nächstes Jahr zur gleichen Zeit" im September, den Musik-Clowns vom Teatro del Chiodo und dem bayrischen Kabarettisten Gerhard Polt stehen heuer auf dem Programm.

Manchmal wird Gugenberger darauf angesprochen, doch zuwenig "experimentelles" Theater einzuplanen. Das versetzt dann den Theaterpraktiker in echte Rage "Hier oben im Zollgrenzgebiet städtisches Kulturangebot zu bieten ist experimentell. Ich verweigere dramaturgische Hirnkrämpfe. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen ins Theater zu verführen und sie zu sensibilisieren. Und das mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln."

Im Wald4tler Hoftheater wird das Publikum behutsam, fast durch die Hintertür an schwierige Themen herangeführt. Da findet man dann "Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt, "Kein Platz für ldioten" von Felix Mitterer oder Markus Kägis "Ach & Och", ein Stück zum Thema Homo-sexualität sanft eingebettet zwischen Leichterem.

Am meisten freuen sich Gugenberger und sein Team, wenn junges Publikum kommt und bieten deshalb an mehreren Tagen der Saison Teenie-Karten zum Preis von 50 Schilling an. Da geht es dann zwar manchmal zu wie bei einem Rockkonzert, aber es soll schon Schüler geben, die ihre Lehrer zwingen, nach Pürbach zu fahren. Gemeinsam mit den Schülern der Bundeshandelsakademie Gmünd wurden sogar bereits vier Theaterproduktionen in deutscher, tschechischer und englischer Sprache erarbeitet, wobei den Jugendlichen sämtliche Einrichtungen des Theaters zur Verfügung gestellt wurden. Zur Zeit überlegen die Projektleiterin der Schule, Elisabeth Springer, und Harald Gugenberger, diese spezifische künstlerische Jugendarbeit über den Schulbetrieb hinaus auszuweiten. Anfragen kommen bereits auch von Jenseits der Grenze, aus Ceske Velenice, der Nachbarstadt Gmünd und Budweis.

Für die nächste Saison dürfen auch bereits zwei kleine Sensationen verraten werden. Harald Gugenberger hat die Rechte für die österreichische Erstaufführung der Theaterfassung des Kultfilms "Fahrenheit 451" gekapert und auch den Broadway-Star Avner Eisenberg bereits engagiert. Da bleibt ihm nur noch zu wünschen, daß seine Pläne für ein großes Humorfestival im Waldviertel wahr werden, und daß die, nächstes Jahr wieder neu zu startenden, Verhandlungen für einen neuen Mehrjahresvertrag mit dem Land Niederösterreich und dem Bund so verlaufen, daß er seine Leute in den Schließmonaten von November bis Mai nicht mehr stempeln schicken muß.

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