Keine ideologische und finanzielle Aufrüstung

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Internetanbieter, die schon wenige Stunden nach den Terroranschlägen in den USA Mauerreste und andere Überbleibsel der Katastrophe als eine Art Devotionalien zum Verkauf angeboten haben, wurden scharf gerügt und der Verkauf derartiger Souvenirs so weit als möglich untersagt. Widerwärtig, abstoßend lautete völlig zurecht der Tenor der Meinungen. Genau so oder noch schlimmer ist es aber, wenn versucht wird, aus einer Tragödie politisches Kapital zu schlagen, wenn im Windschatten der Medienberichterstattung sehr schnell und fast lautlos politisch umstrittene Projekte durchgezogen werden.

Keine Rede davon, dass das Pouvoir des österreichischen Finanzministers für den Kauf neuer Abfangjäger am vergangenen Freitag in diese Kategorie politischer Schandtaten fällt. Karl-Heinz Grasser hat ja auch sofort jede Verquickung der Abfangjägerbestellung mit den Terrorakten dementiert. Unschöne Optik halt - aber rein zufällig. Für den interessierten Journalisten ist es jedoch lehrreich, wie unterschiedlich die Arbeitsauffassungen heimischer Politiker sind. Die Vizekanzlerin hat aufgrund der Ereignisse in den USA ein seit Wochen geplantes Interview mit der furche zu innenpolitischen Themen absagen müssen. Auch drei Fragen am Telefon waren nicht mehr möglich: "Sie verstehen doch, in so einer Zeit über Volksabstimmungen, Volksbefragungen zu reden, passt wirklich nicht ganz!" D'accord, man will sich ja nicht dem Vorwurf des Leichenfledderers aussetzen. Kurz darauf kam dann die Meldung, der Finanzminister kann "in so einer Zeit" viel wichtigere, entscheidendere innenpolitische Fragen beantworten.

Überwachungsstaat?

Abzuwarten bleibt, wie lange es dauert, bis hierzulande neuerlich Debatten in den Bereichen Neutralitätspolitik, Grundrechte oder Überwachungsstaat vom Zaun gebrochen werden. Wer meint, es werde immer noch zuwenig überwacht und die Grundrechte seien nur das Schutzschild für potenzielle Terroristen, hat jetzt natürlich ein - im wahrsten Sinne des Wortes - durchschlagendes Argument bei der Hand. Die Überzeugung, dass wer die Grundrechte aufgibt, die Freiheit einschränkt, den Terroristen erst zu ihrem wahren Sieg verhilft, wird dagegen um einiges schwerer argumentierbar sein.

Als direkte Folge - diesmal auch zugegeben - der US-Tragödie ist in Österreich die Diskussion um die Schaffung eines "Nationalen Sicherheitsrates" wieder aufgenommen worden. Der Sicherheitsrat soll die bereits bestehenden Beratungsgremien der Regierung in außenpolitischen und Verteidigungs-Fragen zusammenfassen und nach US-Vorbild neben Regierungsmitgliedern auch Abgeordnete und Experten umfassen. Einen entsprechenden Initiativantrag wird die Koalitions am Mittwoch kommender Woche im Nationalrat einbringen. Rot und Grün zeigen sich den Plänen der Regierung gegenüber sehr aufgeschlossen.

Als "gute Idee" bezeichnet auch der Sicherheitsexperte des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP), Heinz Gärtner, die Schaffung eines Sicherheitsrates. Sicherheit muss, den neuen Herausforderungen entsprechend, umfassender betrachtet werden, so Gärtner gegenüber der furche. "Die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit entspricht nicht mehr den Gegebenheiten, den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen."

Keine Kurzschlüsse

Aufpassen muss man jedenfalls, meint Gärtner, dass es nicht jetzt - aus der Emotion heraus - zu Kurzschlüssen kommt, eine "ideologische und finanzielle Aufrüstung" stattfindet, die im Kampf gegen den Terrorismus nichts weiterhilft. (Vom Experten genanntes Beispiel: Abfangjägerkauf) Für Gärtner wäre hingegen wichtig, dass Präventionsmaßnahmen, unter anderem der diplomatische Dialog mit den so genannten Schurkenstaaten, verstärkt Beachtung finden. "Gerade ein neutraler Staat könnte da Schienen legen."

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