Keine Karriere, aber ein gutes, zufriedenes Leben

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Ludwig Laher geht dem Leben von Wolfgang Amadeus Mozart junior behutsam auf den Grund.

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Ludwig Laher geht dem Leben von Wolfgang Amadeus Mozart junior behutsam auf den Grund.

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Mozart Sohn wird 1791, vier Monate vor des Vaters Tod, geboren. Als Träger des berühmten Namens könnte er auch im Außermusikalischen ein durchaus ehrenwertes Leben vor sich haben, wie andere der Mozartsippe auch, doch äußere und innere Dispositionen zwingen ihm ein besonderes Schicksal auf. Mutter Konstanze läßt den zweijährigen Franz Xaver umtaufen in Wolfgang Amadeus, und fällt damit ein Lebensurteil. Ihr Gespür bestätigt sich: Der Junge ist ein Wunderkind.

Der Bub kriegt eine solide Ausbildung als Pianist und Compositeur bei Kapazitäten wie Hummel, Salieri, Albrechtsberger, er "gibt sich fleißig, übt, komponiert". Mit sieben trägt er in Wiener Salons Vaters Klaviersonaten vor, elf ist er, als sein Opus 1 "bei Steiner in Wien gestochen" wird, mit zwölf improvisiert er "zum Entzücken aller Anwesenden" über ein Don-Giovanni-Thema, mit 13 rührt er bei einer Festveranstaltung den alten Haydn zu Tränen, als Opus 14 erscheint ein erstes Klavierkonzert, mit 17 "unterrichtet er selbst, komponiert professionell, tritt auf, bringt Geld ins Haus". Einer Karriere stünde nichts im Weg.

Aber es geht nicht weiter, wie etwa bei den Bach-Söhnen, die in den Musikzentren London und Berlin selbständig werden. Mozart Sohn verzieht sich ins äußerste Galizien, wo er den Großteil seines Lebens bleiben wird, zuerst als Musiklehrer bei einem Grafen, dann kurz als Kapellmeister in Lemberg. Über den Vordergrund des Rückzugs schreibt er: "Ich wurde wie ein Kind am Gängelbande behandelt, das verdroß mich". Er meint wohl die drängende Mutter, die Fachkritik, den omnipräsenten Vater.

Von Lemberg aus unternimmt er als Dreißigjähriger Tourneen durch halb Europa, wird eingeladen, geschätzt in der Musikwelt, an zugespielten Möglichkeiten fehlt es nicht. Aber "er setzt nicht nach", komponiert spärlich, schlägt angebotne Posten aus, der Lebenslauf kommt ins Stocken. Was stört im Hintergrund, was fehlt? Und wem fehlt etwas - ihm selber oder nur einem gnadenlosen Publikum?

Solchen Fragen geht der Oberösterreicher Ludwig Laher, geboren 1955, in seinem Mozartbuch nach. Genie zeigt auch Mozart Sohn, doch der Vater hatte zusätzlich diese Schaffensbesessenheit, mit der er sich von seinem durchaus ähnlichen "Gängelbande" lösen konnte. Der Sohn könnte mehr produzieren, kann aber nicht, ihn lähmt etwas von innen her, eine "Melancholie", wie es Laher nennt. Laher läßt sich nicht auf die Festlegung von Einzelursachen dafür ein, die genannten mütterlichen, väterlichen, die Konkurrenz von Kollegen wie Carl Maria von Weber (den Onkel mütterlicherseits) oder den lebenslangen Konflikt zwischen Karriere und der Liebe zu einer Frau dort in der Provinz.

Auch psychologisch will er die Melancholie nicht weiter analysieren. Laher porträtiert, seziert nicht. Dabei verfährt er mit seinem Gegenüber dienlich wie ein guter Kupferstecher, der bei der Umsetzung vorhandner Vorlagen in eine neue Form werktreu und originell zugleich sein kann. Sein sprachlicher Strich ist salopp, er meidet das Anekdotische wie das Theoretische, wo er spekuliert oder gar nichts weiß, gibt er es zu. Und wo er's besser weiß, übt er, dezent mokant, Kritik an Autoritäten (Mörike, Hildesheimer, Prawy). Zurückhaltend gestattet er sich private Einschübe, Exkurse ins Sohnsein allgemein, flapsige Allusionen auf den Gottessohn. Beweglich nutzt er den Freiraum der Gattung ,Literarisches Porträt' zwischen Biografie und Roman.

Derart wird dem Leser der "kleine Mozart" (Sprachgebrauch im Mozarteum) auch in seinem späteren Leben vorgeführt, "klein, gedrungen, ungekünstelt", mit den Gesichtszügen des Vaters, wie sie die Zeitgenossen deutlich sahen. Die Liste der sympathischen Charakterzüge ist lang: "umgänglich, geduldig, bescheiden, ruhig, sanft ..." Er erscheint als "engagierter Lehrer, rühriger Veranstalter, zurückhaltender Mittelpunkt musikalischer Zirkel". Vielleicht war er bei sich zufrieden, auch wenn die Nachwelt mit ihm unzufrieden ist. Aus seinem Schicksal scheint er das Bestmögliche gemacht zu haben. Beneidenswerte Lebensleistung.

Mozart Sohn stirbt 1844 in Karlsbad, zuletzt geplagt von Gicht und Magenweh, aber umsorgt von Freunden. Sein umfängliches Erbe an unschätzbaren Familiendokumenten befindet sich heute im Mozarteum. Sein Grab ist in Karlsbad, das sich, weil der Vater nie dort war, bescheiden ,Kleine Mozartstadt' nennt. So liegt, auf diese Weise wenigstens, der Kleine nicht mehr im Schatten des Großen.

Wolfgang Amadeus Junior: Mozart Sohn sein. Ein literarisches Porträt von Ludwig Laher. Haymon Verlag, Innsbruck 1999. 175 Seiten, geb., öS 248,- /e 18,02 HÖRFUNKTIP Von Ludwig Laher wird eine Fernsehdokumentation gesendet am 12. 12. '99, ORF2, 09.05-09.30: "Wolfgang Amadeus Junior. Eine Annäherung."

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