Keine Kollektivschuld

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Nun tanzen sie wieder ihren Apokalypso, die Blutvergießer in den Schluchten des Balkan. Mord, Zerstörung, Vergewaltigung und Vergeltung - das ist das Inferno, das wir täglich via Medien ins Haus geliefert bekommen. Genüßlich nagen die Berichterstatter das Fleisch von den Knochen der grausigen Tatsachen, um es leicht verdaut an ihre Leser und Seher weiterzugeben. Und ein um die eigene Sicherheit bangendes Volk läßt Tränen der Rührung und des Mitleids in die Biergläser tropfen und spendet. Spendet brav - aus Angst, Kummer, Mitgefühl und wohl auch zur Beruhigung des eigenen Gewissens. Loskaufen, nein, so will ich es nicht bezeichnen, wenn es auch manchmal so ausschaut. Hunger ist der beste Koch, sagt ein Sprichwort. Angst, füge ich hinzu, öffnet die Brieftaschen und Geldbörseln. Daß daneben gemeutert und geschimpft wird, war vorauszusehen. Und daß die "Amis alles schlecht machen", auch. "Zu lang haben sie gewartet - jetzt ist es zu spät. " Nicht ganz, liebe Leute, nicht ganz.

Zu spät war es in den dreißiger Jahren, da hätten die Alliierten schon donnern müssen, als die Nazis das Saargebiet und das Rheinland "befreiten". Hätte man ihnen damals das Gewehr aus der Hand geschlagen, es wäre vielleicht zu keinem Zweiten Weltkrieg gekommen. Mich ärgert, daß man über den Verrückten in Belgrad vergißt, was Kroaten den Serben angetan haben und wie man sie - auch eine Minderheit - in Bosnien behandelt hat. Ich erwähne das nur der Gerechtigkeit halber.

Aber nun hat es der Herr Milosevic' geschafft, daß manche ihn und das serbische Volk in einen Topf werfen. Und das ist schade. Denn wie lautete die Parole nach dem Zweiten Weltkrieg: "Kollektivschuld gibt es nicht." So bleibt uns, den Gott sei Dank immer noch Neutralen, nur eins: denken, sehen, beten und helfen.

Ich erzähle ihnen einmal, wie mir eine alte Russin, mir, dem Feind, das Leben gerettet hat. In Charkov war's, und ich vergeß' es nie. Jeder von uns kann Hilfe brauchen, und daran sollte man in den nächsten Monaten denken. Sogar der neue Landeshäuptling wäre ohne Hilfe der anderen nie zu seinem Posten gekommen. Wer hat ihm da geholfen? Den muß man sich anschauen.

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