Keine Spur von Gleichheit

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Was ist aus Südafrika geworden? Nadine Gordimers neuer Roman ist eine Analyse.

"Jetzt ist alles danach.“ Das ist die Situation von Jabulile und Steve. "Das normale Leben, das Leben, das es früher nie gab.“ Vor dem Ende der Apartheid kämpften sie gemeinsam mit anderen Genossen um ihre Freiheit und mussten als gemischtes Paar - sie ist eine Zulu, er ist Weißer, Sohn eines Christen und einer Jüdin - in der Illegalität leben. Nun ist die Zeit danach: nach dem Kampf, nach der Apartheid. Alles sollte anders werden, doch selbst jene, die aus Liebe zu ihrer Heimat für die Freiheit gekämpft haben, denken ans Auswandern oder sind schon gegangen, nach London, nach Australien. Denn die Verhältnisse in der Heimat machen es einem schwer zu bleiben.

Analphabetentum und Korruption

Der analytische Blick der 1923 geborenen südafrikanischen Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer ist klar und unerbittlich: Sie registriert das hohe Analphabetentum im gegenwärtigen Südafrika, gegen das anzugehen die Bildungspolitik versagt. Sie thematisiert die Korruption auch der neuen Politikergeneration, der ehemaligen Genossen. Vor allem die Vorgänge um Präsident Jacob Zuma erhitzen die Gemüter und spalten: Während Juristin Jabu entsetzt ist, wer da zum Präsidenten gewählt werden soll, ist für ihren Vater Zuma vor allem eines: einer von ihnen, aus der Zulu-Nation. Der Vater hat seiner Tochter einst jene Ausbildung ermöglicht, die sie zu einem freien Menschen machte, der nun Wege einschlagen kann auch gegen die Überzeugung des geliebten und respektierten Vaters. Aber Jabu ist immer noch seine Tochter. Die Szenen zwischen Tochter und Vater gehören zu den berührendsten.

"Wozu sind ein Assistenzprofessor und eine Anwältin gut, wenn Bildung die Summe der Schulen ist, die den Nachwuchs an Studenten produzieren, denen das für ihr Studium erforderliche Verständnisniveau fehlt, und wenn das Rechtswesen Korruptionsvorwürfen gegen schuldige Genossen in hohen Regierungsämtern weiträumig ausweicht“, fragen sich Jabu und Steve und gehören bald zu jenen, die an Auswanderung denken.

Die Zustände des Landes werden parallel zur Geschichte einer Ehe erzählt, um die Entwicklung des Landes bangt man ebenso wie um jene des Paares. Der Fremdenhass erstreckt sich sogar auf die eigenen Brüder, nämlich auf die Flüchtlinge aus Simbabwe - als Hauptursache dafür wird die Armut erkannt.

Ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte, viele der komplexen Probleme werden in Dialogen abgehandelt. Das traurige Fazit dieses Romans, der obwohl er distanziert erzählt wirkt, unter die Haut geht: "Keine Spur von Gleichheit in der erkämpften Schwarz-Weiß-Verschmelzung im Land, dem ungleichsten der Welt.“

Keine Zeit wie diese

Roman von Nadine Gordimer

Aus dem Engl. von Barbara Schaden. Berlin 2012.

512 S., geb., e 23,70

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