Keinen Hauch von Recht durchgesetzt

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Ein Schandurteil. Anders kann man den Ausgang des Prozesses gegen die angeblichen Mörder der russischen Journalistin Anna Politkowskaja – „Freispruch für alle!“ – nicht qualifizieren. Mit solcher Rede geht es nicht darum, aus der Ferne zu beurteilen, ob die tschetschenischen Brüder und die russischen Agenten, die da auf der Anklagebank saßen, des Mordes schuldig sind oder nicht.

Aber das Urteil entlarvt das System, das nicht imstande ist, Pressefreiheit auszuhalten oder diejenigen, die daran schuldig werden, zur Rechenschaft zu ziehen. Auch hier geht es nicht darum, aus der Position des allzu Gerechten zu urteilen. Aber selbst vom Wiener Schreibtisch aus muss man analysieren: Entweder es zeigte sich hier die pure Hilflosigkeit des Systems, das es nicht schafft, einen Hauch von Recht durchzusetzen. Oder es war Abgefeimtheit, mit der ein System agiert, das eine unbequeme Kritikerin per Mord loswird. Beide Diagnosen führen zu eingangs formuliertem Schluss.

Dass dann im Jänner Politkowskajas Anwalt Stanislaw Markelow erschossen wurde und mit ihm die Journalistin Anastasija Barburowa von jener Zeitung Nowaja Gaseta, für die auch Politkowskaja geschrieben hat, zeigt nur, wie dramatisch die Lage für kritischen Journalismus im heutigen Russland ist.

Das postsowjetische System Russlands gehört auf die Anklagebank, und die Wut über die Untätigkeit und Hilflosigkeit erstreckt sich auch auf den Menschenrechte einfordernden Westen: Denn auch der konnte die Leben der in Russland exponierten Kollegen nicht schützen – und das Schweigen wegen guter Geschäftsbeziehungen zu Moskau und Ähnlichem macht die moralische Entrüstung diesseits der russischen Grenze nicht glaubwürdiger.

Das enthebt dennoch nicht, Protest und die Stimme zu erheben – auch diese Ermordeten dürfen nicht der Vergessenheit anheimfallen.

Denn sonst hätten die Mörder ihr Ziel erreicht. Und darum bleiben wir dabei: ein Schandurteil!

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