KHG – nicht zu fassen

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Es seien „nicht die schlechtesten Früchte, an denen die Wespen nagen“, sagt der gerne in Bildern und Metaphern sprechende Andreas Khol zur Causa Grasser im Falter. Geschenkt. Aber deswegen ist noch lange nicht alles, worauf sich die Lästlinge stürzen, Edelobst. Oft ist, was sie da bearbeiten, in recht deplorablem Zustand …

In einem entscheidenden Punkt hat Khol freilich recht: Die Wespen nagen an Karl-Heinz Grasser besonders gern, „seit er instrumental war für den ÖVP-Wahlerfolg 2002“. In anderen Worten: Man schlägt den Sack – Grasser – und meint den Esel – Wolfgang Schüssel. Der SPÖ und ihrem politmedialen Vor- und Umfeld gelten die Jahre 2000 bis 2006 nach wie vor als eine Art Betriebsunfall der jüngeren Geschichte der Zweiten Republik, als Abweichung von der fiktiven Präambel der Verfassung, derzufolge die SPÖ den Bundeskanzler der Republik Österreich stellt. Der eigentliche Tabubruch liegt in dieser Perspektive nicht, wie meist vorgeschoben, in der Regierungsbeteiligung der FPÖ, sondern in der Nicht-Regierungsbeteiligung der SPÖ.

Talent plus Glamour-Faktor

Aber damit ist noch nichts über Grasser gesagt, daraus lässt sich keine Exkulpierungsstrategie für ihn zimmern. Vielmehr drängen sich bei jeder neuen Affäre – wie zuletzt der dubiosen BUWOG-Geschichte – zwei Fragen unabweislich auf: Wieso wurde ausgerechnet jemand wie Karl-Heinz Grasser „instrumental für den ÖVP-Wahlerfolg 2002“? Und: Was hat Wolfgang Schüssel an KHG dermaßen fasziniert, dass er ihn für höchste Ämter der Republik geeignet hielt und der ÖVP am liebsten gänzlich inkorporieren wollte?

Die Beantwortung der ersten Frage scheint leichter. Man mag hier Grassers Telegenität und Eloquenz ins Treffen führen, sein gekonntes Auftreten, das zweifellos vorhandene politische Talent: All dies nahm auch hoch seriöse Wirtschaftsleute, die mit Wörthersee-Charme und Kristallwelten gewiss nichts am Hut hatten, für ihn ein. Der Glamour-Faktor machte ihn darüber hinaus zum Liebling des Boulevards – und die Dominanz des Boulevards ist in Österreich, wie man weiß, nachgewiesenermaßen besonders ausgeprägt.

Aber Schüssel? Man könnte es sich leicht machen und diese Frage mit Verweis auf die Beantwortung der ersten erledigen: Eben weil Grasser ganz offensichtlich so gut ankam, holte ihn der gewiefte Taktiker Schüssel in sein Team und landete so den ultimativen Coup im Wahlkampf 2002. Schon richtig – aber da bleibt noch ein unerklärlicher Rest.

„Moralischer Flachwurzler“

Denn Schüssels späterer Versuch, Grasser als Vizekanzler zu installieren und damit wohl als künftigen VP-Spitzenkandidaten aufzubauen, war ja mehr als ein taktischer Schachzug: Dahinter steckte Strategie, also langfristige Planung, die weitreichende Auswirkungen gehabt hätte. Wie aber konnte ein Wolfgang Schüssel glauben, der ideologisch entkernte Pragmatiker Grasser ginge als eine Art anonymer Christdemokrat durch? Man kann, wenn man das angestammte politische Milieu Grassers im Auge hat, Jörg Haiders Vorwurf des „moralischen Flachwurzlertums“ auch als Auszeichnung sehen: Im Dritten Lager sind die Flachwurzler gegenüber den Tiefwurzlern eindeutig zu bevorzugen. Aber Haider hat natürlich jenseits dieses Aspekts wie so oft etwas Richtiges erkannt: dass Grasser Politik nicht als Möglichkeit zur Gestaltung des Öffentlichen, zur Setzung von Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Gemeinwesen aufgrund bestimmter weltanschaulicher Überzeugungen sieht, sondern als Fortsetzung des Privatlebens mit anderen Mitteln.

Wolfgang Schüssel steht mit seiner ganzen Sozialisation, mit seiner politischen Biografie, mit seinem glaubwürdigen Bekenntnis zu einer wertebasierten Politik für genau das Gegenteil. Woher also dann dieses Faible? Vielleicht wird ja auch das noch einmal offengelegt …

* rudolf.mitloehner@furche.at

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