Kirchen werden Internetfit

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Sinnvolle Jugendarbeit der Kirchen oder auch religionspädagogische Tätigkeit muss heute „Web 2.0“, „YouTube“, Twitter & Co einbeziehen. Die Studie „Kirchliche Sinnangebote im Web 2.0“ an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Frankfurt bestätigt diesen Befund.

„Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren treffen sich fast täglich interaktiv: Im Web 2.0 knüpfen sie nicht nur neue Kontakte, sondern sie pflegen auch ihre bereits bestehenden Freundschaften“, analysiert Bernd Trocholepczy. Für den katholischen Religionspädagogen und Mediendidaktiker an der Goethe-Universität Frankfurt am Main ist klar: „An den neuen Kommunikationsformen können auch die Kirchen nicht vorbei.“ Unter Trocholepczys Leitung wurde die Studie „Kirchliche Sinnangebote im Web 2.0“ durchgeführt. Untersucht wurden dabei große Internet-Communities wie studiVZ, schuelerVZ, wer-kennt-wen, die Lokalisten und Facebook.

Katholische Gruppen im Internet

„Es stellte sich heraus“, so Trocholepczy, „dass bereits mehrere deutschsprachige Gruppen mit katholischem oder evangelischem religiösem Hintergrund im Internet existieren, beispielsweise gibt es über 260 Ministrantengruppen mit durchschnittlich 26 Mitgliedern, die alle von den Teilnehmern selbst gegründet wurden. Für die Kirche bedeutet diese Entwicklung eine großartige Möglichkeit, nicht nur mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten, sondern auch religiöse Inhalte zu vermitteln.“

„Wir haben rund 700 Internet-Community-Nutzer befragt und rund 100 YouTube Sendungen untersucht“, erklärt Jürgen Pelzer, Diplomtheologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter. „Es stellte sich heraus, dass 44 Prozent der Befragten bereits Mitglieder einer religiösen Internetgruppe sind, bei den 15- bis 16-Jährigen sind das 76 Prozent.“ Damit habe sich der Trend bestätigt, den andere Studien auch zeigen: Die Generation der unter 25-Jährigen nutzt die Online-Communitys verstärkt. Dieser Trend gilt, wie es aussieht, auch für religiös interessierte Internetnutzer.

49 Prozent der Befragten sind schon einmal religiösen Inhalten in YouTube begegnet. 59 Prozent wünschen sich mehr Multimedialität auf kirchlichen Webseiten. 29 Prozent der Community-Teilnehmer lesen Blogs mit religiösem Inhalt.

Allerdings bedeute die Teilnahme an einer religiösen Internetgruppe nicht unbedingt, dass die Jugendlichen angeregt über Glaubensfragen chatten. Meistens seien sie nur mit ihren Profilen vertreten, sodass diese Gruppen einem Telefonbuchverzeichnis ähneln, allerdings sei das eine effektive Vernetzungsform, um Termine abzustimmen, aber noch wichtiger, um präsent zu sein.

„Für die Jugendlichen heutzutage bedeutet ein Profil im Netz zu haben ihre Existenzbestätigung und auch Ausdruck ihrer Zugehörigkeit und Identität“, weiß Pelzer. „Zum Unterschied von Websites oder E-Mails bedeutet Web 2.0 keine Einbahn-Information, sondern ermöglicht einen Austausch. Web 2.0 basiert auf dem Prinzip des Netzwerkes, der Sender ist auch Empfänger.

Das Zauberwort „interaktiv“

Jeder Teilnehmer ist auch Inhalte-Anbieter, auch wenn das nur die Daten seines Profils sind.“ Wenn die Kirchen diesen Kommunikationskanal nicht nützen würden, um die jungen, religiös interessierten Menschen zu erreichen, würde es auf das Gleiche kommen, wie wenn in den Pfarren die Telefone abgeschaltet wären. Allerdings seien die Communities- und YouTube-Seiten auf den kirchlichen Computern in den meisten Bistümern in Deutschland noch immer gesperrt, um internen Missbräuchen vorzubeugen.

„Die Studie führt uns vor Augen, dass gegenwärtig keine sinnvolle kirchliche Jugendarbeit oder religionspädagogische Tätigkeit ohne Web 2.0 geleistet werden kann“, sagt Trocholepczy. „Deswegen sollten die Religionspädagogen und Pastoralassistenten, aber auch die kirchlichen Hauptamtlichen sozusagen internetfit gemacht werden.“

Die Jugendlichen leisteten selbst die meiste Arbeit im Internet, indem sie sich interaktiv organisierten. Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe im Netz sei für die Heranwachsenden gleich ein religiöses Bekenntnis oder sogar ein Glaubenszeugnis in einer Welt, in der Religion zur privaten Angelegenheit geworden sei. Trocholepczy sieht diesen Prozess als eine neue Form der Verkündigung.

„Für die Kirchen bedeutet Web 2.0 auch strukturelle Konsequenzen“, ergänzt Pelzer: „Man könnte sagen, die Stunde der Laien ist angebrochen. Kirchliche Hauptamtliche werden zunehmend als Koordinatoren und weniger als Leiter fungieren müssen, denn das Internet bewirkt grundsätzlich eine Dezentralisierung der Institutionen – und das gilt auch für die Kirchen.“

Das rege Interesse der Deutschen Bischofskonferenz an der Studie zeige, dass die Kirchenleitung die Veränderungen in der jugendlichen Kommunikationskultur ebenso wahrgenommen habe.

„Der Erzbischof von Neapel, Kardinal Crescenzio Sepe, zum Beispiel hat schon ein Profil in Facebook, das er sehr intensiv nützt“, so Pelzer: „Es ist wichtig, einen Überblick im Netz zu haben, um die richtigen Glaubensinhalte zu vermitteln“, meint Trocholepczy abschießend. „Das ist nur durch Teilnahme an den unterschiedlichen religiösen Internetgruppen oder durch Gründung neuer Gruppen möglich.“

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