Kirchenpflicht im öffentlichen Leben

Werbung
Werbung
Werbung

Anfang des Monats feierte die katholische Kirche den 70. Jahrestag des Rosenkranzfestes vom 7. Oktober 1938, das 7000 Jugendliche in Sankt Stephan zusammen mit Kardinal Innitzer zu einer mächtigen Kundgebung gegen einen falschen Führer ("Christus ist unser Führer") umfunktionierten. Nie wieder im Deutschen Reich konnten so viele Menschen öffentlich so entschieden gegen das Hitler-Regime in Stellung gehen wie damals. Die Kirche büßte den spontanen Mut schon am folgenden Tag. Im Geschichtsbuch bleibt der 7. Oktober eine wichtige Erinnerung an Kirchenpflicht im öffentlichen Leben.

Die Gedenkfeier im Wiener Stephansdom spiegelte die aktuelle Befindlichkeit der katholischen Kirche punktgenau wider. Eine festliche Liturgie mit hochwertiger Musik erhob die Herzen der vielen, die den Dom füllten. Kardinal Schönborn paraphrasierte in seiner Homilie bewegend die damalige Ansprache seines Amtsvorgängers. Nach zwei Stunden zogen Geistlichkeit und Kirchenvolk hinter den Fahnen der farbentragenden Studentenverbände auf den Domplatz hinaus, wo in einer öffentlichen Feier noch einmal des historischen Anlasses gedacht wurde. Die Katholische Jugend steuerte spontane Gedanken zum Zusammenleben in der Gesellschaft bei.

Trotzdem hatte das Ereignis einen gespenstischen Charakter. Bot dieser Tag nicht eine einzigartige Gelegenheit für ein politisches Kirchenwort in die Gesellschaft hinein? Ein Wort zur Regierungsbildung in Österreich? Ein Wort zur größten Weltwirtschaftskrise seit Kriegsende? Niemand erwartet ein Rezept für die Reparatur der Finanzwelt, aber doch einen Warnruf zur Wiederherstellung moralischer Integrität in Politik und Wirtschaft.

Am nächsten kam dem zuletzt ein Augustiner Chorherr mit CV-Bändern um den Leib geschlungen. Ein Traditionalist im organisatorischen Vergleich sprach die Weltverantwortung der Katholiken an. Die Welt aber hallt wider vom großen Schweigen der Mächtigen in der Kirche.

Danken die Hierarchen mit den Börsenmaklern ab?

Der Autor war von 1978 bis 1984 Chefredakteur der FURCHE, für die er bis heute Kolumnen verfasst

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung