Kirchliche Zumutungen

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Klotzen und nicht kleckern: Man versteht, dass sich Christoph Schönborn nicht mit kleinmütiger Rede aufhielt, als er letzte Woche seine Erzdiözese auf die "größte Strukturreform seit Joseph II.“ einschwor. Aus vielerlei berufenem Munde wird dem Kardinal und seinem Team Mut bescheinigt, seine Ortskirche auf neue Wege zu bringen. Die neuen "Leitlinien zum diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1“ bergen viel Zündstoff. Wenn das Projekt ehrlich angegangen und gemeistert wird, müsste die Erzdiözese Wien in zehn Jahren ganz anders als heute aussehen.

Pfarrer wären dann nicht mehr als pastorale Einzelkämpfer unterwegs, sondern lebten in drei- bis fünfköpfigen priesterlichen Gemeinschaften zusammen. Laien hätten dann die Gemeindeleitung in "Filialgemeinden“ übernommen, die ihrerseits in Großpfarren zusammengefasst würden. Das in Jahrhunderten gewachsene System an territorialen Pfarrgemeinden wäre gründlich reorganisiert.

Das Projekt soll, so Schönborn, im Wesentlichen in den nächsten zehn Jahren über die Bühne gehen. Es erfordert von allen Beteiligten, den Priestern, den Laien, den Ordensleuten und den kirchlichen Angestellten eine grundlegende Bereitschaft zum Aufbrechen, Umdenken und Neuausrichten. Solche Zumutung ist mutig.

Zumutungen an die Ortskirche

Es ist unbestritten, dass sich die katholische Kirche nicht zuletzt angesichts von Mitgliederschwund und eklatantem Priestermangel "neu aufstellen“ muss. Und dass es nicht beim Krisengerede bleiben darf. Auch von daher ist jeder Versuch, den großen Wurf zu wagen, zu begrüßen.

Der eigentliche Sprengstoff, den die Wiener Diözesanreform in sich birgt, liegt aber einmal mehr nicht auf der ortskirchlichen Ebene - auch wenn man dazu angesichts des Frustrations- und Resignationspotenzials, das weite Teile des katholischen Aktivsegments erfasst hat, manche Fragen stellen könnte.

Sondern die Zumutung der Beweglichkeit kann einfach nicht nur auf die Ortskirche beschränkt bleiben. Es ist schon verständlich, wenn - wie etwa auch die Wiener Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel dezidiert erklärt - die Wiener Reformideen auf ein Ausreizen der aktuellen kirchlichen Rahmenbedingeungen hinauslaufen (Seite 19 dieser FURCHE). Aber das wird für ein Gelingen auch der Wiener Reform längst nicht ausreichen.

Denn man lügte sich in den Sack, würde man einander ausschließende Prinzipien bei der Neuausrichtung nicht benennen: Man kann nicht die Eucharistie als "Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens“ (II. Vatikanum) hochhalten und jede Diskussion darüber zu unterbinden suchen, wie dies auch unter den Bedingungen der Gegenwart gewährleistet werden kann. Und da führt etwa kein Weg an der Diskussion um die Zulassungsbedingungen zu den Weiheämtern vorbei.

Zumutungen auch an die Hirten

Man lässt den einfachen Katholiken im Regen stehen, wenn von ihm (zu Recht!) maximale Beweglichkeit und Kreativität verlangt wird, aber die Kirche, das pilgernde Volk Gottes (nochmals: II. Vatikanum!), beim Status quo stehen bleibt.

Was würde das für eine Ortskirche wie diejenige von Wien und ihre Leitung bedeuten? Zum einen eben die Zumutung, sich ganz anders und ganz neu auf den Weg zu machen. Das Reformkonzept kann durchaus als solche verstanden werden.

Aber gleichzeitig verlangt es von den Hirten, auch der Weltkirchenleitung die Zumutung zu übermitteln, dass Beweglichkeit nötig ist. Genau an diesem Punkt aber kommt die Bemühung um Bewegung zum Stillstand.

Denn Rom sorgt zurzeit peinlich dafür, dass niemand, bei dem nur der Schimmer einer Gefahr bestünde, er würde etwa die Diskussion über Zulassungesbedingungen zum Priesteramt weitertragen, zum Bischof ernannt wird.

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