Klangdichte und Künstlichkeit

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Oper von Péter Eötvös als Produktion der Opéra National de Lyon im Theater an der Wien.

Vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen und bejubelt, von der Kritik viel gelobt, wurde das Werk 1998 sogar als als wichtigste neue Oper des Jahres ausgezeichnet: "Drei Schwestern", die erste Oper von Péter Eötvös, in Lyon produziert und danach u. a. in Brüssel und Stuttgart mit Erfolg gezeigt, gastierte nun bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien. Es ist eine ebenso hörens- wie sehenswerte Produktion - umso mehr, als sie von zwei Spezialisten, dem Komponisten selbst am Pult des Klangforum Wien und von László Tihanyi als Leiter des Savaria Symphonieorchesters klanglich authentisch betreut wurde.

Der gefeierte Regisseur-Choreografen und Butoh-Tanzspezialist Ushio Amagatsu setzte Anton Tschechows Tragikomödie mit szenischer Bravour in stimmige Bilder um. Peter Eötvös hat den Vierakter gemeinsam mit Claus H. Henneberg dramaturgisch geschickt umgekrempelt: Er lässt seine Figuren dreimal die gleiche Geschichte der Schwestern Irina, Mascha und Olga und ihres Lebens in tödlicher Langeweile in der Provinz erzählen. Aber in jeder der drei Sequenzen wird die Sicht einer anderen Person gezeigt.

In seiner Musik weicht Eötvös allerdings privaten Gefühlen und Stimmungen konsequent aus: Er strebt eine Objektivierung, Distanzierung und Verfremdung an und analysiert dabei vor allem psychische Vorgänge, Wünsche und Sehnsüchte. Die Frauenrollen sind dabei mit Männern besetzt, was den Figuren eine extreme Künstlichkeit verleiht. Jeder Stimme ist ein bestimmtes Instrument zugeordnet. Das Klangforum im Orchestergraben unter der Leitung von Eötvös begleitet dabei die Einzelstimmen; wo die Geschichte dichter und vielstimmiger wird, setzt dann jeweils das Savaria Orchester auf der Hinterbühne ein.

Eötvös gelingen Szenen von luftiger, durchsichtiger Atmosphäre und gleichzeitig erstaunlicher Klangdichte; die Stimmen scheinen über den Klangfiguren zu schweben. Und Ushio Amagatsu und sein Bühnenbildner Natsuyuki Nakanishi (streng stilisierte Kostüme im Japan-Look: Sayoko Yamaguchi) versuchen diese schwebenden Bilder konsequent in magische fernöstliche Theaterrituale zu übersetzen: Lebende Bilder in effektvollem Schwarz-Weiß, zwischen drei Gaze-Wänden, voll kunstvoll arrangierter Gestik, mit genau ausgefeilten Bewegungen und streng zurückgenommenem Ausdruck.

Die Besetzung bietet hinreißende Perfektion: Die drei Schwestern werden von den Countertenören Alain Aubin (Olga), Lawrence Zacco (Mascha) und Oleg Riabets (Irina) in beeindruckender Intensität gesungen und gespielt. Ein ideales Damentrio. Gary Boyce ist eine fulminante schwarze Natascha voll Lebensgier und Egozentrik. Hervorragend sind auch alle anderen Figuren besetzt: Albert Schagidullin singt den Bruder Andrej mit großer, leuchtender Stimme, Olivier Lallouette ist ein marionettenhafter Tusenbach, Riccardo Lombardi ein liebender Werschinin.

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