Klangvolles Stehtheater

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"Pelléas et Mélisande" von Claude Debussy wurde bei den Salzburger Osterfestspielen ein großes musikalisches Ereignis.

Zarteste Farbmischungen, subtile träumerische Klänge steigen wie aus einer anderen Welt aus dem Orchestergraben. Mit jedem Ton lassen sie die Regungen der Seele durchschimmern: Claude Debussys sehnsüchtige, schwermütige Musik, seine verträumten Harmonien werden bei Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmoniker zu einem impressionistischen Gemälde.

"Pelléas und Mélisande", das melancholische Musikdrama mit genialen Texten von Maurice Maeterlinck, 1902 in Paris uraufgeführt, ist die Opernproduktion der heuer 40-jährigen Osterfestspiele von Salzburg. Die mystisch-symbolisch verschwommene Klangatmosphäre des Orchesters findet seinen kongenialen Widerhall in den erstklassigen Sängerleistungen: Allen voran in Angelika Kirchschlager, eine auch im Spiel jugendlich mädchenhafte Mélisande, die mit wunderbaren Farben und Facettenreichtum ihres Mezzos sowie tiefgehender Innigkeit betört. Sie ist ganz Außenseiterin, die in der Familie wie verloren wirkt, und deshalb symbolhaft als einzige ein rotes Kleid trägt. Alle anderen sieht man in uniformen, weißen, futuristisch anmutenden Anzügen (Raoul Fernandez), die an Clowngewänder erinnern und an der Grenze zur Lächerlichkeit stehen. Simon Keenlyside ist ein zugleich kraftvoll intensiver wie auch sanftmütiger Pelléas mit geschmeidigem Bariton, José van Dam ein immer noch edeltimbrierter und nuancenreicher Golaud. Sein Sohn Yniold wird von einem Solisten des Tölzer Knabenchores bravourös mit unglaublicher Tonreinheit gesungen. Robert Lloyd singt den Arkel sehr ergreifend. Anna Larsson ist eine tadellose Geneviève.

Leider kann die Szene diese vollendete, musikalische Atmosphäre nicht immer mittragen. Keinerlei Requisiten sind auf der riesigen Bühne des Großen Festspielhauses, nur große Kuben sieht man, die immer wieder (und vielfach zu oft und sinnlos) herumgeschoben werden. Sie öffnen sich vorne hell erleuchtet wie Bilderbücher und sind mit Elementen aus dem Text der jeweiligen Szene, wie Blumen, roten Kleidern, Polstern mit herzförmigen Blutstropfen ausstaffiert (Emmanuel Clolus). Dabei entstehen durchaus starke Bilder, die durch suggestive Lichtstimmungen (Philippe Berthomé) verstärkt werden, so wenn Mélisande umgeben von roten Kleidern im Zentrum steht oder beim Mord an Pelléas mit seinen durchgestaffelten, blutroten Wänden. Nur kann Stanislas Nordey, der keinerlei Realismus zulässt, diese durch seine minimalistische Personenführung und durch sein leicht choreografiertes Steh-und Schreittheater nicht wirklich mit Leben erfüllen. So bleibt durch diese Statik vieles an Gefühlen und Seelenzuständen verborgen.

Zum Schluss gab es einhellige Zustimmung. 2007 starten die Osterfestspiele mit dem Ringzyklus von Richard Wagner.

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