Kleine Teilchen, große Hoffnung

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Die Nanobranche präsentierte diese Woche eine bunte Palette an Produktideen an einem Kongress in Krems. Die Diskussion um die Gefährlichkeit von Nanopartikeln zeigte eines: Es herrscht (noch) viel Unwissen.

Nanotechnologien - mit großer Konsequenz verwendete André Gaszó vom Institut für Technikfolgenabschätzung in Wien den Plural, als er am Montag Nachmittag durch das Programm des Bionanomedizin-Kongresses in Krems führte. Das war auch richtig so, denn die vorgestellten Anwendungen aus Universität und Wirtschaft hätten unterschiedlicher nicht sein können: intelligente Kunststoffe, die je nach Temperatur ihre Form verändern und vielleicht in Zukunft in der minimal-invasiven Chirurgie verwendet werden können; Nanochips, die als Diagnose-Tool zügig viele Bioparameter bestimmen und so Auskunft über die Gesundheit eines Patienten liefern können sollen; Nanopartikel, die medizinische Wirkstoffe transportieren und diese ziel- und zeitgerecht abgeben sollen etc.

Gefährliche Technologie?

Die folgenden Referate thematisierten die Gefährlichkeit der Nanotechnologien. Dabei wurde schnell klar: Viele der Produkte sind ungefährlich. Allein dort, wo Nanopartikel frei herumschwirren - in der Luft oder in Lösung -, können bei entsprechendem Kontakt negative gesundheitliche Auswirkungen auftreten. Zum Beispiel ist bekannt, dass die winzigen, nadelförmigen Nanotubes beim Einatmen Asbest-artige Krankheitsbilder verursachen können. Oft ist aber das Wissen widersprüchlich, wie etwa Prof. Myrtill Simkó (siehe Interview unten) in ihrem Vortrag festhielt. Bei den kleinsten Nanopartikeln etwa sei unklar, ob sie sich in den Atemwegen verfangen - oder nicht doch wieder ausgeatmet werden.

Ganz allgemein mangelt es an standardisierten Tests, mit denen die Giftigkeit von Nanopartikeln bestimmt werden kann, wie Eva Roblegg, Pharmazeutin an der Universität Graz, deutlich machte. Sie forscht zurzeit im Rahmen eines großen EU-Projekts an der Entwicklung solcher Tests.

Alexander Zilberszac, zuständig für die Sicherheit von Lebensmitteln beim Gesundheitsministerium, äußerte sich kritisch über den langsamen Erkenntnisfortschritt, was mögliche gesundheitliche Risiken betrifft, und meinte: "Die Priorität sollte bei der Erforschung der Gefahren liegen und nicht bei der Produkteentwicklung." Das scharfe Statement des Lebensmittelexperten war nur allzu verständlich: Während etwa Medikamente - ob Nano oder nicht - ein strenges Zulassungsverfahren zu durchlaufen haben, ist bis dato unklar, ob künstliche Nanomaterialien in Lebensmitteln grundsätzlich unter die Novel Food-Verordnung der EU fallen und danach zu prüfen sind. Oder eben nicht. "Da sich die Lebensmittelindustrie über ihre Produkte ausschweigt, wissen wir auch relativ wenig darüber, ob und wie viel Nanofood sich bereits auf dem Markt befindet", erklärte Zilberszac. Dass Bedarf nach neuen Regeln besteht, hat im Oktober vergangenen Jahres auch die Europäische Lebensmittelbehörde erkannt: Sie stellte fest, dass sich die wissenschaftlichen Daten von Nichtnanomaterialien nicht einfach eins zu eins auf die Nanomaterialien übertragen lassen, und gab damit zu, dass es Unzulänglichkeiten in der derzeitigen Bewertung gibt. Ende dieses Jahres hat die EU nun eine Verordnung für Lebensmittelzusatzstoffe erlassen, die das erste Mal explizit von Nanomaterialien spricht. Doch Zilberszac sieht weiteren Handlungsbedarf: "Wir drängen darauf, dass im Zuge der derzeit auf EU-Ebene laufenden Überarbeitung der Novel Food-Verordnung dafür gesorgt wird, dass sämtliche Lebensmittel, die synthetische Nanomaterialien enthalten, einem Zulassungsverfahren unterliegen."

Die abschließende Podiumsdiskussion förderte ein Vielfaches an Ungelöstem zutage: Ursula Jenal, Mikrobiologin und Risikoexpertin aus der Schweiz, betonte, dass die Schweizer Industrie zusammen mit NGOs und anderen Interessenvertretern einen eigenen Code of Conduct ausgearbeitet habe. Doch das wichtige Ziel bleibe: Man müsse klare Richtlinien und behördliche Zuständigkeiten schaffen.

Ungelöste Dinge

Anil Patri, US-Forscher und Experte für die Charakterisierung von Nanoteilchen, verwies darauf, dass es wichtig sei, nicht eine ganze Technologie - die viel zu heterogen sei - kontrollieren zu wollen, sondern einzelne Produkte. Die Meinung, dass es teils große Verwirrung um die Toxizitätsbewertung gebe, teilte er. Die Buckyballs etwa seien je nach Literatur einmal giftig oder nicht. Und Patri weiter: "Bis jetzt ist mir noch kein hochgiftiges Nanomaterial untergekommen."

Da die Regulierung nicht klar sei, würde es noch Jahre dauern, bis die Industrie sich ernsthaft an die Entwicklung - etwa von medizinischen Produkten - machen werde. Diese Ansicht vertrat Jörg Vienken von der Firma Fresenius Medical Care, und erzählte von seinen schlechten Erfahrungen mit den (deutschen) Behörden: Sie konnten ihm auf seine Anfrage einfach keine Antwort geben.

Der Technikfolgenforscher André Gaszó schloss die Runde mit einer optimistischen Einschätzung: "Wir sind immer noch in einem sehr frühen Stadium der Regulierung, und wir werden weiterhin als genaue Beobachter agieren."

Linktipp: www.nanotrust.ac.at

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