Klima-Experimente auf dem Prüfstand

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Im Kampf gegen den Klimawandel gilt es keine Zeit mehr zu verlieren: Das ist eine der Botschaften im letzten Report des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC). Dringender Handlungsbedarf sei gegeben, um den weltweiten Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren und die globale Erwärmung im 21. Jahrhundert nicht über die geforderte Obergrenze von zwei Grad Celsius ansteigen zu lassen -ein Szenario, das laut Experten mit unabsehbaren Risiken verbunden wäre. Was aber, wenn die Maßnahmen zum Klimaschutz an diesem Ziel scheitern sollten? Dann bliebe nur noch jenes Großprojekt, das derzeit Forscher aus den unterschiedlichsten Disziplinen in seinen Bann zieht und unter dem Überbegriff des "Climate Engineering" heftig diskutiert wird: Technologien zur Klima-Manipulation, die darauf abzielen, die durch den Menschen verursachte Erderwärmung abzumildern.

Globale Langzeitfolgen

"Wir glauben, dass sich angesichts der Notwendigkeit von Klimaschutz letztlich die Vernunft durchsetzen wird", sagte Georg Schütte, Staatssekretär des deutschen Bildungs-und Forschungsministeriums, bei der ersten großen Konferenz zum "Climate Engineering", die letzte Woche unter dem Motto "Kritische globale Diskussionen" in Berlin stattfand. "Wir glauben aber auch, dass es politisch fahrlässig wäre, vollständig auf 'Plan A'zu vertrauen, ohne eine kritische Bewertung von 'Plan B'vorzunehmen." Dieser "Plan B" enthält noch jede Menge offener Fragen: Die Technologien des "Climate Engineering" sind mit zahlreichen Risiken verbunden, und ihre Wirksamkeit und Konsequenzen können bislang nicht verlässlich vorhergesagt werden. Nicht nur die klimatischen Folgen hinsichtlich Temperatur, Niederschlag und Extremwetter-Ereignisse, auch die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen bieten Raum für teils waghalsige Spekulation.

Klima-Manipulationen werden grob in zwei Kategorien eingeteilt: Maßnahmen, die Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre entfernen, zum Beispiel durch großflächige Aufforstung (CO2-Bindung durch Photosynthese) oder Meeresdüngung mit Eisen (CO2-Bindung im Ozean), sowie Eingriffe, die den Energiehaushalt der Atmosphäre verändern, vor allem durch Abschirmung von Sonnenstrahlung. Keine der Techniken jedoch könnte zeitnah und problemlos angewandt werden. Wie die Experten vorausschickten, würden fast alle Maßnahmen zumindest Jahrzehnte benötigen, bevor ein signifikanter Einfluss auf die globalen CO2-Konzentrationen erreicht werden könnte.

"Aufgrund des frühen Stadiums der Diskussion ist unser Verständnis derzeit noch zu eingeschränkt, um eine verlässliche Nutzen-Risiko-Abschätzung der einzelnen Technologien vornehmen zu können", resümiert der Physiker Thomas Bruhn, der am Institut für Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam tätig ist. "Lediglich zur Ozeandüngung liegen bereits Forschungsdaten aus zwei Jahrzehnten vor. Hier hat man lernen müssen, dass die Nebenwirkungen weitaus komplexer und die Einsatzmöglichkeiten viel begrenzter sind, als man ursprünglich dachte."

Eine im Frühjahr publizierte Studie hat mittels Computer-Simulationen die globalen Langzeitfolgen von Maßnahmen zur Klimaregulierung untersucht und allein im Hinblick auf die Wirksamkeit ernüchternde Ergebnisse erbracht: Selbst unter idealen Voraussetzungen blieben die Technologien relativ ineffektiv (vgl. FURCHE Nr. 10/2014). Andererseits greift selbst Aufforstung, sofern sie im großen Maßstab durchgeführt wird, massiv in Ökosysteme ein, wie ein Beispiel aus Australien verdeutlicht: Dort hatte die Aufforstung mit schnell wachsenden Bäumen aufgrund des pH-Werts der Blätter im Endeffekt eine Übersäuerung des Bodens bewirkt. Und im Computer-Modell führte die Bewaldung des australischen "Outbacks" sogar zu einer regionalen Verstärkung der Erderwärmung, da die Erdoberfläche dunkler wurde und somit mehr Wärme speichern konnte. "Angesichts komplexer Abhängigkeiten erfordert jeder Eingriff eine spezifische Analyse der Nebenwirkungen ", betont Bruhn. Hier tut sich noch ein Dilemma auf: Für die Bewertung der Technologien bedarf es möglichst realitätsnaher Experimente, für die jedoch der oft unerwünschte und illegale Einsatz der Technologien erforderlich wäre. Wichtige Anliegen sind nun die Entwicklung internationaler Forschungsrichtlinien sowie angemessener politischer Steuerungsmechanismen -von der Forschung an Computer-Modellen über Feldexperimente bis hin zur möglichen Umsetzung.

Wissenschaft im Dialog

Bei der Berliner Konferenz gaben manche Forscher erneut zu bedenken, dass die Hoffnung auf eine einfache technische Lösung für die Probleme des Klimawandels die ohnehin schleppenden internationalen Bemühungen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen unterlaufen könnte. Insgesamt aber äußerten nur wenige Teilnehmer Zweifel daran, dass weiterhin zu den verschiedenen Ansätzen des "Climate Engineering" geforscht werden wird. Dies unterstreicht auch der Politikwissenschafter Stefan Schäfer vom IASS Potsdam: "Im Sinne eines offenen Diskurses darf man das Feld nicht räumen. Denn das Thema wird nicht verschwinden, nur weil man aufhört, darüber zu sprechen."

Wie diese Gespräche idealerweise erfolgen sollten, könnte beispielhaft für eine neue Rolle der Wissenschaft angesichts globaler Herausforderungen sein. Denn derart große Fragestellungen können nur von einem breiten Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen und einer Vielzahl von Standpunkten bearbeitet werden. So trafen sich bei der Berliner Konferenz nicht nur Vertreter der Natur-,Sozial- und Geisteswissenschaften, sondern auch der Politik und Zivilgesellschaft. "Das wechselseitige Lernen über die eigenen Fächergrenzen und auch über die akademischen Grenzen hinaus war sicherlich ein Highlight des Kongresses", berichtet Physiker Thomas Bruhn. Die Bevölkerung frühzeitig zu informieren, "dass in diesem Bereich Themen diskutiert werden, die sie eines Tages betreffen könnten", ist für den Politikwissenschafter Stefan Schäfer nun von großer Relevanz. Denn die Zukunft des "Climate Engineering" wird letztlich auf einer politischen Ebene entschieden werden.

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