Klosterkultur, die DNA der Ordensgemeinschaften

19451960198020002020

"#KulturÖffnet" nennt sich eine Initiative der Ordensgemeinschaften, die zeigen will, dass Kultur im Kloster weit mehr ist als alte Stifte, Gemäldegalerien und Archive.

19451960198020002020

"#KulturÖffnet" nennt sich eine Initiative der Ordensgemeinschaften, die zeigen will, dass Kultur im Kloster weit mehr ist als alte Stifte, Gemäldegalerien und Archive.

Werbung
Werbung
Werbung

Innehalten und den Blick schärfen ist täglich um fünf vor zwölf im Kloster angesagt, wenn sich die Mönche auf den Weg zum Mittagsgebet und gemeinsamen Essen machen. Für Ferdinand Kaineder, Mediensprecher der Ordensgemeinschaften Österreichs, gibt dieses Innehalten auch die Möglichkeit, die Welt von verschiedenen Seiten zu betrachten und sich auf die Suche nach den "materiellen und geistigen Schätzen des Ordenslebens" - der Kultur des klösterlichen Lebens -zu machen. So stand auch das Gespräch über eine "Kultur der Öffnung und des Teilens" im Mittelpunkt des ersten "5vor12Talk"imDepotderFritz-Wotruba-Privatstiftung im Museum 21er Haus des Belvedere in Wien.

Als "DNA jeden Ordens" bezeichnet Kaineder den Kulturauftrag, der den Ordensgemeinschaften zukommt. Das beziehe sich auf die Kunstwerke in klösterlichen Sammlungen, die Archive, Kulturgüter oder auch die Lebenskultur in Klöstern. Dass Kultur auf vielfältige Weise mit Ordensgemeinschaften verknüpft ist, gerate jedoch zunehmend aus dem Blick, wie die Leiterin des Referats für die Kulturgüter der Orden, Helga Penz, im Gespräch mit der FURCHE ausführt: "Zur Verbindung Kloster und Kultur fällt den meisten Menschen in Österreich wohl heute ein, dass beispielsweise Melk ein schönes Stift hat und viele Besucher tagtäglich empfängt."

Kultur - offen und versteckt

Das kulturelle Erbe der Klöster neu in den Blick zu bekommen, sieht Penz als Ziel des Themenschwerpunkts der Ordensgemeinschaften Österreichs "#KulturÖffnet". Dieses Erbe sei in manchen Klöstern "sehr sichtbar", wie in den großen Barockstiften Österreichs.

Verstecktere Formen des kulturellen Erbes österreichischer Klöster bedürfen neuer Vermittlung: Es habe Ordensgemeinschaften gegeben, die sich in der Krankenpflege verdient gemacht haben -zu einer Zeit, in der es noch nicht üblich war, sich Kranken zuzuwenden, sagt Penz: "Auch das ist Kultur." Bildung nannte die Historikerin als weiteres kulturelles Erbe von Ordensgemeinschaften. Dass jeder Mensch ein Recht auf Bildung hat, habe sich erst langsam etabliert, so Penz: "Mönche und Ordensschwestern haben dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet." Weitere Zeichen von Kultur sind das Zusammenleben im Konvent, die Tischkultur oder allgemein eine "Kultur des Miteinanders".

Eine solche "Kultur des Teilens" stellt auch Mediensprecher Kaineder in den Mittelpunkt des Themenschwerpunkts "#KulturÖffnet". In den unscheinbaren Zeichen einer Ordensgemeinschaft zeigten sich drei wesentliche kulturelle Aspekte , die auch im säkularen Leben relevant sein können. Das Ordensleben orientiert sich an den Gelübden Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam: "Anders gesagt heißt das: Einfach leben, gemeinsam leben und ein hellwaches Leben führen."

Dass Klöster für religiöse wie nicht religiöse Menschen eine Faszination in sich bergen, hängt für die Historikerin Helga Penz stark mit dem Leben und der Kultur der Ordensgemeinschaften zusammen. Menschen lassen sich von dem "Andersort Kloster" in eine für sie oft neue Welt entführen: "Das, was in Klöstern gelebt wird, ist natürlich eine, wenn man so will, eigenwillige Form des Lebens: Verzicht auf privates Eigentum, Zusammenleben in kleiner Gemeinschaft und die Balance von Arbeit und Leben in Zusammenhang mit dem Transzendenten." All diese Aspekte sind, so Penz "unsichtbare Schätze der klösterlichen Kultur".

Um diese Schätze auch für die Nachwelt zu erhalten, muss die Kultur der Ordensgemeinschaften dokumentiert werden. Neben Bibliothekaren und Historikern sind dafür vor allem Archivare zuständig. Maximilian Alexander Trofaier ist seit 2012 Stiftsarchivar des Schottenstifts in Wien und sieht es u. a. als seine Aufgabe, klösterliches Leben zu dokumentieren: "Das Archiv wird oft als Gedächtnis des Klosters bezeichnet -zu Recht." Alles, was passiert, solle dokumentiert werden und für die Nachwelt auf diese Weise gesichert werden.

Aus Sicht des Archivars ist es gerade im Schottenstift wichtig, das kulturelle Erbe zu bewahren. Schließlich zähle das Stiftsarchiv zu den ältesten Archiven Wiens und habe einen "großen kulturellen Wert für die Stadt Wien und Umgebung", so Trofaier. Die Dokumente seien nicht nur Ausdruck von Religiosität, sondern geben auch Einblicke in Handwerkskunst oder Ideengeschichte.

Kein Würgegriff der Geschichte

Am angemessensten gelingt es durch Dokumentation, Kultur zu bewahren, stimmt die Historikern Penz zu: "Wir dürfen uns nicht in den Würgegriff der Geschichte begeben und sagen: Das wollen wir bewahren. Sonst würden noch immer alle in der Kirche nur Latein sprechen." Die Kirche sei auf einem ständigen Weg der Erneuerung und Reform, dazu habe schon Jesus aufgerufen, sagt Penz. Jedoch sei gerade in großen Erneuerungsprozessen die Dokumentation zentral. In Klöstern seien oft viele ältere Ordensleute zu finden. Für Penz sind diese Menschen "ein großer Schatz" - authentische Zeugen der Vergangenheit.

Um das kulturelle Erbe von Ordensgemeinschaften in der Gesellschaft präsent zu halten, seien verschiedene Initiativen ins Leben gerufen worden, sagt Penz. Zur Vermittlung von Ordenskultur bedienen sich immer mehr klösterliche Gemeinschaften kirchenpädagogischer Methoden: "Es hat keinen Sinn, Menschen durch eine Kirche zu führen und ihnen ein Altarbild zu erklären, wenn sie nicht mehr wissen, was ein Altar ist."

Eine zweite Methode, mit der die Ordensgemeinschaften Österreichs Bewusstsein für den kulturellen Reichtum in Klöstern schaffen wollen, sind Beratungen, die Penz gemeinsam mit einer Kollegin anbietet. Gerade wenn Gemeinschaften große Kunstsammlungen und viele materielle Kulturgüter haben, müsse eine Auswahl getroffen werden, was wichtig ist und aufgehoben wird, und was verschenkt oder verkauft wird.

Besonderes Augenmerk legt Penz dabei auf unscheinbare kulturelle Schätze: "Dass die alte Barockmonstranz schön und wertvoll ist, weiß jeder. Dass aber auch die kleine Konventglocke einer Frauengemeinschaft großen kulturellen Werk haben kann, wird häufig vergessen."

Eine Kultur des Miteinanders

Was Menschen beim Besuch von Klöstern besonders fasziniere, sagt Penz, ist der "nicht museale Kontext". Die Kunst, die hier zu sehen ist, hat eine tiefere Bedeutung für das tägliche Zusammenleben in der Gemeinschaft und ist aus ganz bestimmten Gründen so angeordnet. Das fasziniere Menschen, gerade auch weil religiöses Leben "zunehmend etwas Außergewöhnliches" werde, so die Historikerin. Wenn auch Orden und religiöses Leben zunehmend erklärungsbedürftig sind, werde ohne große Mühe der kulturelle Reichtum dieser Orte bewusst, so Penz.

"Es ist spät, aber sicher nicht zu spät." Auch diese Botschaft wollen Kaineder und sein Team mit den "5vor12 Talks" vermitteln: Die klösterliche Kultur weite den Blick, zeige neue Perspektiven und eröffne eine andere Lebenswirklichkeit. Ordensgemeinschaften sind in ihrem Wesen nach nicht auf Abgeschlossenheit und Rückzug bedacht, sondern leben eine Kultur des Miteinander und des Teilens. Eine Kultur, die öffnet.

Diese Seite entstand in Kooperation mit den Ordensgemeinschaften Österreichs. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der Furche.

Informationen des Referates Kulturgüter der Orden: kulturgueter.kath-orden.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung