Knapp + scharf

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Gerhard Kofler schreibt präzise Lyrik mit langem Nachklang.

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Gerhard Kofler schreibt präzise Lyrik mit langem Nachklang.

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Wer liest schon Lyrik in unserer schnellen Zeit der News, der Sager und der nichtgelesenen Bestseller, fragte man sich und prophezeite immer wieder den "Tod der lyrischen Form". Heute wird Lyrik zunehmend wieder "in", in Jugendzentren entstehen "Poesie-Werkstätten" und auch die Diskussion über das "Inwendig-Lernen" und "Auswendig-Sagen" von Gedichten wird rund um die neue Gedichte- Anthologie "Gedichte fürs Gedächtnis" wieder geführt.

Gerhard Kofler, in Wien lebender Südtiroler Schriftsteller, gehört mit seiner Lyrik für mich längst zur "Ahnenkette großer Seelentröster". Im dritten Teil seiner "Trilogie des Kalenders", dem neuen Gedichte-Band "Die Uhrwerkslogik der Verse", zeigt er einmal mehr seine eindrucksvolle Kunst der knappen Form. Poetisches, Politisches, Kritisches im Jahresablauf sind im vorliegenden Band in deutscher und italienischer Sprache vereint, wie im Autor selbst. Wobei die italienische Fassung zuerst entstand, die deutsche "Übersetzung", besser wohl Übertragung in deutsche Sprache, Form und Rhythmus, danach.

Viele Worte über Lyrik zu verlieren erscheint mir nicht im Sinne des Autors. Bringt sie doch in jedem Leser andere Töne zum Klingen, ruft andere Erinnerungen und Assoziationen wach und bildet nicht nur für den Dichter, sondern auch für den Leser etwas sehr Intimes ab. Viele interpretierende Worte können nur jenen Zauber zerstören, den sie gerade durch ihre karge Form, ihren Klang und Nachklang erzeugen. Nur so viel: Gerhard Koflers Gedichte sind knapp und eindrucksvoll, klingen lange nach und verzaubern den Alltag. Oder sie entzaubern Menschen und Szenen, was ihnen Schärfe verleiht, die oft erst auf den zweiten Blick Abgründe eröffnet.

In der modernen Zeit der vielen nichtssagenden Worte sind Koflers Gedichte eine kleine Kostbarkeit, vielleicht ein bißchen weltfremd - "nie habe ich den honig gesucht im wespennest" -, was angesichts dieser Welt als Kompliment gemeint ist. Wohin flüchten, wenn nicht in kurze Momente der Poesie?

Zurück aus Delfi: ein monat ein aufenthalt ist eine andere geste der zeit das grün erklingt das blau erleuchtet und kein unnützer anspruch es ist dein monat außer konkurrenz Septembertöne: rückkehr des baumblatts atme die frische luft und nenne es flug was zu boden dich bringt Entzaubert: das handwerk des vergessens jeder tag hat seine journalisten und die tatsächlichkeit die sie schaffen wieviel papier wieviel mühe um die wenigen dichter zu vergessen Fortsetzungen: achtundsechzig und krawatte wir dachten daß die krawatte verschwindet sie trugen sie (so schien es uns) nur in den ländern des realen sozialismus die krawatte jedoch ist nicht verschwunden so tragen wir am hals eine merkwürdige geschichte Die Uhrwerkslogik der Verse - L'Orologica dei Versi. 133 Gedichte von Gerhard Kofler. Haymon Verlag, Innsbruck 1999. 220 Seiten, geb., öS 198,-/e 14,39

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