Köstliches und Kurioses

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Die Kochbuchausstellung der Wienbibliothek macht Lust auf Genießen und Schmökern.

Das goldene Wienerherz und der Magen der Wiener sind offensichtlich ganz direkt miteinander verbunden - noch enger als bei anderen Leuten. Zumindest scheint es so, blättert man die Unzahl an Kochbüchern durch, die der Wiener Küche gewidmet sind. Von Beginn an eine "Fusion-Kitchen" im ursprünglichen Sinne, verschmolzen hier Traditionen aus zumindest vierzehn Staaten zu Gulasch, Schnitzel, Tafelspitz und Gugelhupf. Eine Ausstellung der Wienbibliothek im Rathaus zeigt die Schätze, die sie auf dem Gebiet zusammengetragen hat, und präsentiert damit ein intimes Stück Wiener Kulturgeschichte und Identität.

Traditionen aus 14 Staaten

Die Rückbesinnung auf kulinarische Traditionen, die Modernisierung des Schmankerls spiegelt sich auch in aktuellen Publikationen wider. Prominente Köchinnen und Köche, von Johanna Maier über die Obauer-Brüder bis hin zum allgegenwärtigen Erwin Plachutta, überbieten einander mit Neuinterpretationen klassischer österreichischer und Wiener Gerichte. Koch-Publizist Christoph Wagner, gemeinsam mit Plachutta für "Die Gute Küche" verantwortlich, hat 2006 sogar den unzählige Male wiederaufgelegten Küchenklassiker per se wachgeküsst: Unter dem Titel "Prato. Die gute alte Küche" hat Wagner die "Süddeutsche Küche" der Katharina Prato neu kommentiert und editiert herausgebracht.

Katharina Prato hatte ihr Standardwerk erstmals 1858 herausgegeben, über die Jahre ergänzte sie das Buch immer weiter, bis es auf das dreifache Volumen angewachsen war. In der Wienbibliothek ist nun das Original ausgestellt, Seite an Seite mit anderen Klassikern des Genres, etwa dem "Wiener Kochbuch" von Louise Seleskowitz. Die Frauen, die die österreichische Küche aufschrieben, hatten oft bürgerliche Haushalte geleitet. Adelige Küchen wurden traditionell von Männern geführt, doch immer wieder waren es die Frauen, die ihre Kenntnisse aufschrieben, in Kochschulen lehrten, Rezepte aus allen Richtungen sammelten.

Immer wieder die Frauen

In einem Raum der Bibliothek sind in Schaukästen handschriftliche Kochbücher ausgestellt, die sich insbesondere mit Süßspeisen befassen. Aus dem Jahr 1734 etwa stammt ein Buch, in dessen Rezept für ein "Mandelmilchkoch" das Anbrennenlassen unabdingbarer Bestandteil der Zubereitung ist. Unterschiedliche Versionen von Schokolad-, Ciocolate- oder Chocoladetorten und -durtten zeugen vom Luxus auf großbürgerlichen Tafeln. Im frühen 19. Jahrhundert war Speiseeis der letzte Schrei, ein herrschaftliches Kochbuch schreibt etwa von "Muskatellergefrorenem". Für die Lektüre der Bücher ist nicht nur graphologisches, sondern auch sprachhistorisches Wissen nötig, genannter Muskateller etwa bezeichnete nämlich Salbeikraut.

Die Ausstellung ist auch eine Hommage an die Frauen und Männer, die der Wiener Küche zu ihrem großen Ansehen verholfen haben. Nicht nur Prato und Seleskowitz, auch Markennamen wie der berühmte und beliebte Küchenchef Franz Ruhm mit seinen Kochbüchern für Kriegszeiten und den in jedem Haushalt unvermeidlichen Rezept-Sammelheften sind vertreten. Franz Ruhm war in den Fünfziger Jahren österreichischer Pionier als Fernsehkoch und damit jeder Hausfrau ein Begriff. In einem Film, der in der Ausstellung zu sehen ist, erklärt er dem Publikum, er erfinde seine Rezepte am Herrenschreibtisch, nicht in der Küche - dort gehe es zu hektisch zu.

Die Figur des sonoren, breitschultrigen Mannes, der der jungen Hausfrau ihre Berufung erklärt - immer wieder stößt man auf sie, blättert man durch Kochbücher vergangener Tage. Besonders in den vierziger und fünfziger Jahren erscheint eine Vielzahl sogenannter praktischer Ratgeber, die der jungen, meist spitzbusig abgebildeten Laienköchin Topf und Löffel näher bringen sollen. In Form kleiner Geschichten und Episoden werden handfeste Verhaltensregeln am Herd weitergegeben. Auch aus dieser Gattung sind in der Ausstellung einige Exemplare zu sehen. Die ganze Schau macht große Lust, die eigenen Bestände wieder einmal zu durchforsten, großmütterliche Erbstücke zur Hand zu nehmen und auf Flohmärkten nach Raritäten zu suchen.

Die Kuratorinnen der Ausstellung, Furche-Autorin Julia Danielczyk und Isabella Wasner-Peter, haben auch ein Buch zur Wiener Küche und ihren Kochbüchern herausgegeben, das die Entwicklung der Wiener Küche in den letzten beiden Jahrhunderten mit vielen Rezepten nachzeichnet.

"Heut' muß der Tisch sich völlig bieg'n"

Wienbibliothek im Rathaus

Eingang Lichtenfelsgasse, Stiege 4

www.wienbibliothek.at

Bis 9. 5. 2008 Mo-Do 9-18.30 Uhr,

Fr 9-16.30 Uhr

Das gleichnamige Buch, hrsg. von Julia Danielczyk und Isabella Wasner-Peter, ist im Mandelbaum Verlag Wien erschienen (262 Seiten, € 24,90).

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