Kollektive Erinnerungsstücke

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Am 28. Dezember wird das "Fest der Unschuldigen Kinder“ begangen. Ein Festtag, der an den Kindermord von Bethlehem erinnern soll. In Guapi, einer kleinen Fischerstadt in Kolumbien, ist dieses Fest mit einem eigentümlichen Brauch verbunden: An diesem Tag schlüpfen junge Männer in Frauenkleider, setzen sich absurde Horrormasken aus Plastik auf und laufen bewaffnet mit Stöcken und Peitschen durch die Straßen auf der Suche nach nicht verkleideten Mitspielern, die, gut gepolstert und mit einer gehörigen Portion Masochismus ausgestattet, den Hieben zu entkommen suchen.

Seit zwei Jahrzehnten wird die Gegend rund um Guapi nun schon von Drogenkriegen, paramilitärischen Angriffen und Guerillakämpfen heimgesucht. Mord und Entführung sind seitdem an der Tagesordnung. Die Theatertruppe "Mapa teatro“ der Geschwister Heidi, Rolf und Elisabeth Abderhalden aus Bogotá erzählt in ihrem Stück "Los Santos Inocentes“ die Geschichte Guapis, stellvertretend für die blutige Geschichte eines ganzen Landes. Die Geschwister Abderhalden geben mit ihren fantastischen Dokumentartheaterstücken der Trauer und Wut der Bevölkerung Raum. Erzählte Geschichten werden so zu kollektiven Erinnerungsstücken. Bereits 2005 haben sie bei den Festwochen mit dieser Mischung aus dokumentarischen und fiktionalen Elementen überzeugt. Mit "Testigo de las Ruinas“ wurde die Zerstörung eines ganzen Stadtviertels festgehalten. Ihre Stücke sind bildgewaltige Feste mit Musik und Tanz, deren Ziel es ist, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Der bitter-süße Theaterabend, der mit Marimba-Klängen endet, hat zum Schluss eine klare Botschaft: "Raus mit den Guerillas! Raus mit den Paramilitärs!“ Das "Fest der Unschuldigen Kinder“ wird so zum Befreiungsschlag gegen das Gefühl, den Tätern ohnmächtig ausgeliefert zu sein.

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