Koma statt Korallenriff

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Lebensgefährliche Reisethrombosen nach Langstreckenflügen haben für Aufregung gesorgt. Statt Panik ist Prävention angesagt.

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Lebensgefährliche Reisethrombosen nach Langstreckenflügen haben für Aufregung gesorgt. Statt Panik ist Prävention angesagt.

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Vier Todesopfer am Flughafen Wien-Schwechat durch Reisethrombosen haben die Öffentlichkeit wachgerüttelt: Venenleiden können gefährlich werden! Noch beeindruckender ist ein Bericht der Financial Times, demzufolge in den Ländern der EU jährlich rund 90.000 Flugpassagiere eine Reisethrombose erleiden. Im schlimmsten Fall bildet sich ein Blutgerinnsel, das in die Lunge wandern und dort eine tödliche Embolie auslösen kann.

"Bisher hat man Venenleiden als hohes Gesundheitsrisiko zu wenig beachtet", verweist Professor Sanja Schuller-Petrovic von der Universitäts-Hautklinik in Graz auf mangelndes Bewusstsein für diese, oft nur als Kosmetikproblem betrachtete Erkrankung. Venenleiden zählen heute zu den häufigsten Zivilisationskrankheiten.

Die Symptome kommen nicht von heute auf morgen, vielmehr handelt es sich um einen langjährigen Prozess. Neben einer genetischen Veranlagung spielt die Lebensweise eine bedeutende Rolle: Stehende oder sitzende Tätigkeit, wenig Bewegung, Übergewicht, Alkohol und Nikotin sind die Hauptursachen für die Erkrankung. "Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat krankhafte Veränderungen der Beinvenen. Würde man ab dem 30. Lebensjahr ein Gefäßscreening durchführen, könnte man rechtzeitig die Risikopatienten erfassen und sie einer adäquaten Therapie zuführen," schlägt die Venenexpertin vor. "Leider herrscht auf diesem Gebiet noch immer die Reparatur- und nicht die Präventivmedizin."

Unbehandelte Venenerkrankungen können zum so genannten "offenen Bein" und zum Venenverschluss, der Thrombose, führen, die tödlich enden kann. Von einer speziellen Form der Thrombose, dem "economy syndrom", sind vor allem Flugreisende bedroht. Das stundenlange Sitzen in engen Sitzreihen, mit abgewinkelten Beinen, führt zu einem Versacken des Blutes in den Beinen. Durch die mangelnde Bewegung kann das Blut über die Venen nicht zum Herzen zurückgepumpt werden - es kommt zur Bildung von Blutpfropfen (Thrombose).

Bei einer plötzlichen Bewegung, etwa beim Aussteigen nach einem langen Flug, aber auch nach mehrstündigen Auto- oder Busfahrten, kann sich dieser Pfropfen lösen und eine Embolie verursachen. "Darum sind gerade die ersten Minuten nach der Ankunft gefährlich", weiß Schuller-Petrovic. Besonders gefährdet sind Menschen, die an Venenerkrankungen oder Herzschwäche leiden sowie solche nach größeren Operationen, Patienten mit Gipsverband an den Beinen, Übergewichtige, schwangere Frauen sowie solche, die mit der Pille verhüten. Erhöht wird das Risiko durch die trockene Luft im Flugzeug, die zu einem Eindicken des Blutes durch Austrocknung führt. Darum sollte man viel trinken - nicht jedoch Kaffee oder Alkohol, der zu einer Erweiterung der Gefäße führt. Auch die Einnahme von Beruhigungs- und Schlafmitteln erhöht das Thrombose-Risiko, führen diese doch naturgemäß zur Einschränkung der Bewegung.

Eine übertriebene Angst ist dennoch unangebracht, betont der Leiter der Reisemedizinischen Bumlanz am Flughafen Wien Schwechat, Professor Armin Prinz: "Man kann effektiv vorbeugen und sich richtig verhalten." Neben einfachen Methoden wie vermehrte Flüssigkeitszufuhr, Bewegung der Beine - und sei es nur Zehenwippen - empfiehlt der erfahrene Reisemediziner für Personen mit leicht erhöhtem Risiko zusätzlich Kompressionsstrümpfe bis zum Knie; Personen, die bereits eine Thrombose hatten, rät Prinz Heparin-Injektionen, die das Blut verdünnen. "Wir schulen die Reisenden ein, das Medikament selbst zu injizieren. Die Injektion erfolge wie bei Insulin unter die haut. Die Wirkung setzt sofort ein, erreicht nach drei bis vier Stunden ihren Höhepunkt und hält 24 Stunden an. Aspirin ist zur Vorbeugung nicht geeignet," weiß Prinz.

Man kann vorbeugen Venenleiden sind natürlich nicht nur für Reisende gefährlich. "Wenn sich erste Anzeichen zeigen, etwa Besenreißer rund um die Knöchel, hervortretende, geschlängelte Venen, sollte man das nicht als kosmetisches Problem abtun", warnt Schuller-Petrovic. "Wenn einmal Schmerzen oder geschwollene Beine auftreten, handelt es sich bereits um ein fortgeschrittenes Stadium". Mit einer schmerzlosen Gefäßuntersuchung, die der Patient selbst mitbeobachten kann - der farbcodierten Duplex Sonographie, einem Farbultraschall - kann die Funktion der Venen genau überprüft werden.

Je nach Diagnose kann dann frühzeitig eine individuelle Therapie eingeleitet werden. Bei einem wenig fortgeschrittenen Stadium ist eine schonende Methode mit Radiowellen möglich, die über einen Katheter eingebracht werden und die geschwächte Venenstelle einschrumpfen lassen, sodass der Rückstau des Blutes verhindert wird. Diese Methode wird seit zwei Jahren an der Grazer Universitäts-Hautklinik erfolgreich durchgeführt.

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