Kommt die Wende zum Weniger? erwerwerwerwe
Auf der Suche nach einem dritten Weg zwischen Neoliberalismus und Neokeynesianismus.
Auf der Suche nach einem dritten Weg zwischen Neoliberalismus und Neokeynesianismus.
Deutsch, aber glücklich" betitelt Bernd Ulrich, einer der Denker der deutschen Grünen, seinen Essay über "neue Politik in Zeiten der Knappheit". Wenn wir heute von Krise sprechen, meint er, müsse man sich von üblichen Vorstellungen lösen. Heute würden "die breiten Massen (die reichen Eliten sowieso) in den westlichen Gesellschaften mehr Reichtum verbrauchen als sie produzieren", indem sie zum Teil auf Kosten der Dritten Welt oder der folgenden Generationen leben. Ferner seien wir in eine Periode des wirtschaftlichen Grenznutzens eingetreten. Die massive Produktivitätssteigerung fand in den sechziger Jahren statt. Die Krise sei Ausdruck "der Wende zum Weniger".
Das "unablässige Streben nach Wachstum und Vergrößerung, ein Kennzeichen aller westlichen Gesellschaften", habe bisher genügend freien Raum und Ressourcen vorgefunden. Doch nach dem Scheitern des Kommunismus blieb "ein doppelt säkularisiertes Geschichtsbild übrig": Man glaube "weder an ein Jenseits noch an diesseitige Erlösung". An ihre Stelle "tritt die unablässige Steigerung der materiellen Lebensbedingungen". Die sei aber auch am Ende, nicht zuletzt durch den rasant steigenden Verbrauch in den neuen Industrieländern.
Die Politik sieht Ulrich in einer Sackgasse: Die Politiker schnüren Sparpakete und treiben gleichzeitig "unter dem Druck ihrer Wähler die öffentlichen Haushalte immer tiefer ins Minus". Kurz, die Schuld an der Situation liege auf allen Seiten. Von hier leitet er auf die Vorurteile und Fehlschlüsse verschiedenster Art über. Auf falschen Voraussetzungen beruhende Vorschläge, wie etwa die bekannte Forderung, Nachbarschaftshilfe in kommerzielle Arbeit umzuleiten, um Arbeitslosigkeit abzubauen, würde bloß Nachbarschaften, dörfliche Gemeinschaften und Kommunen auflösen: "Der Gesellschaft durch Deregulierung Raum geben, den man ihr durch Kommerzialisierung gleich wieder nimmt, um sie am Sonntag schließlich mit Appellen zu mehr Gemeinsinn und familiärer Bindung zu beglücken" - leider gehe nicht alles zugleich.
Politiker wie Bürger müßten sich endlich der Wirklichkeit stellen, schließt Ulrich. Die Debatte sei zu sehr vom neoliberalen Utopismus und andererseits einem ebenso utopischen Neokeynesianismus bestimmt. Ökonomische, ökologische, soziale Nachhaltigkeit müßten zur obersten Maxime werden, "was nicht zuletzt einen neuen Umgang von Politikern mit Bürgern mit sich zöge".
DEUTSCH, ABER GLÜCKLICH Eine neue Politik in Zeiten der Knappheit Von Bernd Ulrich Alexander Fest Verlag, Berlin 1997 175 Seiten, Ln., öS 234,-
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