Kommunion-Verzicht für die Ökumene

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Der Grazer Theologe Philipp Harnoncourt propagiert „Eucharistisches Fasten“, damit in der Ökumene wieder etwas weitergeht. Fasten – hier: Verzicht auf geistliche Nahrung – als Zeichen der Buße und der Solidarität.

Graz, Juni 1997: 12.000 Vertreter der Kirchen Europas sind zur Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV2) in die steirische Landeshauptstadt gekommen. Eine Woche lang wird Ökumene gelebt, gefeiert und debattiert. Ein eindrückliches Erlebnis. Nur zur Eucharistie- bzw. Abendmahlsfeier strömen die Angehörigen der einzelnen Kirchen in ihre eigenen Gotteshäuser – denn die Orthodoxen und die katholische Kirche lehnen Eucharistiegemeinschaft mit den jeweils anderen Konfessionen ab.

Schon damals wollte das der Grazer Liturgiewissenschafter und Ostkirchenexperte Philipp Harnoncourt nicht hinnehmen. Er schlug im Vorfeld der EÖV2 vor: Alle beteiligten Kirchen mögen während der Veranstaltung auf jegliche Eucharistiefeier (Messe, Abendmahl, Göttliche Liturgie) verzichten. Dieser Vorschlag sei aber, erinnert sich Harnoncourt, von katholischer wie von orthodoxer Seite ohne Diskussion abgelehnt worden.

Das Gleiche widerfuhr dem renommierten Theologen elf Jahre später, als er anlässlich der EÖV3 in Sibiu/Hermannstadt 2007 seinen Vorschlag wiederholte. Diese Entwicklung hält Harnoncourt für ein „beunruhigendes Zeichen“: Für die Einheit der Christen werde immer noch zu wenig getan.

Ein beunruhigendes Zeichen

Geschilderte Erfahrungen haben Philipp Harnoncourt dazu bewogen, die abgelehnten Vorschläge zu einer genau durchdachten ökumenischen Initiative weiterzuentwickeln, die er „Eucharistisches Fasten“ nennt. Kurz gefasst propagiert er, als Akt der Buße für die fehlende Einheit der Christen zu bestimmten Zeiten und Gelegenheiten auf Eucharistiefeiern zu verzichten – als bewusster, spiritueller Akt.

Ökumenische Versammlungen und Begegnungen wären so eine Gelegenheit. Oder auch die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die alljährlich im Jänner von den Kirchen begangen wird. Weil Kirchenleitungen sich nach wie vor nicht in der Lage sehen, gemeinsam Eucharistie zu feiern und Abendmahl zu halten, schlägt Harnoncourt vor, zumindest bei ökumenischen Veranstaltungen auf die Eucharistie zu verzichten.

Nach einigen „zaghaften Schritten in Richtung Kommuniongemeinschaft“ sei man wieder „selbstgenügsam bei getrennten Tischen“ geblieben, kritisiert der Theologe. Genau dagegen will er seinen neuen Impuls setzen – und zwar nicht, indem er sich wie manche ungeduldigere Amtsbrüder etwa übers römische Verbot hinwegsetzt, mit Protestanten gemeinsam zu „zelebrieren“.

Harnoncourt will so einerseits mit einer Wiederbelebung der altchristlichen Spiritualität des Fastens deutlich machen, wie sehr die Zersplitterung der Christenheit Sünde ist und der Buße bedarf. Andererseits zielt sein Vorschlag darauf ab, der Bedeutung der Eucharistie gerecht zu werden.

Der Theologe argumentiert bei seinem Vorschlag mit biblischen Begründungen: Jesus habe nach dem Zeugnis der Evangelien sein öffentliches Auftreten mit einem 40-tägigen Fasten vorbereitet. Auch von daher ist für Harnoncourt „Fasten“ gerade im Bezug auf die Eucharistie sinnvoll. Denn nach den Aufbrüchen in der Ökumene – in den Jahren nach dem II. Vatikanum schien die Eucharistiegemeinschaft „unmittelbar bevorzustehen“ – ortet Harnoncourt „in letzter Zeit Rückschritte“, die nicht zu übersehen seien. Der ernüchternde Befund: „Die Sensibilität für die fehlende Eucharistiegemeinschaft ist weithin verlorengegangen.“

Was heißt aber „Eucharistisches Fasten“ konkret? Harnoncourt präzisiert: „Eucharistisches Fasten ist der freiwillige und bewusste Verzicht auf Feier und Empfang der Eucharistie, obwohl beides möglich und erlaubt ist. Priester verzichten auf die Zelebration und auf den Empfang der Eucharistie. Laien verzichten auf den Empfang der Kommunion.“ Der Grazer Theologe betont aber gleichzeitig, dass solcher Verzicht nur zeitweise geschehen soll, weil die Kirche in der Eucharistie ja „ihre Lebensmitte und ihr ‚Lebens-Mittel‘ hat“. Konsequenterweise setze dies voraus, dass dem Sakrament der Eucharistie höchste Bedeutung beigemessen wird.

Von daher scheint die Initiative „Eucharistisches Fasten“ in erster Linie auf die katholische Kirche und die Orthodoxen hin angelegt zu sein, wo die Eucharistie eben genau diese Bedeutung hat. Diese beiden Kirchen(familien) sind es auch, die ihren Gläubigen und Priestern die Teilnahme an den Eucharistie- und Abendmahlsfeiern der anderen Konfessionen untersagen. Bei den reformatorischen Kirchen hingegen gibt es einige, für welche die Eucharistie eben nicht die zentrale Bedeutung hat, wie sie Harnoncourt fürs „Eucharistische Fasten“ postuliert.

Doch diese Kirchen, darunter auch die Anglikaner oder die skandinavischen Protestanten, bei denen das Abendmahl „höchste Aufmerksamkeit“ findet, laden alle Getauften gleich welcher Konfession zum Abendmahl ein. Ist das Projekt „Eucharistisches Fasten“ daher auf die Katholiken und die Orthodoxen beschränkt? Nein, meint Harnoncourt; er hofft, dass auch Christen der reformatorischen Tradition mitmachen – aus Solidarität mit den Kirchen, welche die Abendmahlsgemeinschaft ablehnen.

Der Aspekt der Solidarität ist – neben dem Bußcharakter – für Harnoncourt ein wesentliches Element seiner Initiative: „Eucharistisches Fasten ist Ausdruck der Solidarität mit allen Christen, denen eine ‚Schwester-Kirche‘ die Kommunion nicht gewährt, obwohl sie guten Glaubens und an der Trennung nicht schuld sind.“ Und weiter: „Es ist ein Ausdruck des Bekenntnisses, dass jede Kirche an der Trennung schuld ist und der Einheit der Kirche widerspricht, die sie in ihrem Glaubensbekenntnis bezeugt.“

All dies wird noch von einer weiteren Intention unterstrichen: Harnoncourt argumentiert, dass das Eucharistische Fasten „eine besonders intensive Form des Gebets“ darstellt; er weist darauf hin, dass schon Kirchenväter wie Johannes Chrysostomus Eucharistisches Fasten propagiert hätten, wenn es galt, Feindseligkeit zu überwinden.

Ökumene von unten

Auf diese Weise hofft der Grazer Theologe, eine ökumenische Initiative von unten setzen zu können. Er hat in den letzten Monaten seine Ideen auch öffentlich zur Diskussion gestellt – etwa in der deutschen Wochenzeitung Christ in der Gegenwart oder in der Juli-Ausgabe der pastoraltheologischen Fachzeitschrift Diakonia.

Was einen katholischen Theologen mit unkonventionellen Ideen aber zweifelsohne interessiert, ist, wie Rom auf die Initiative reagiert. Von „oben“ kämen nur Einwendungen und Bedenken, klagt Harnoncourt. Aber nicht nur. Vor Kurzem hat der Theologe einen Brief von Kurienkardinal Walter Kasper, dem „Ökumene-Minister“ des Vatikans, erhalten, in dem dieser Harnoncourts Projekt „als einen dringend notwendigen geistlichen Anstoß, um in der gegenwärtigen Situation endlich einen weiteren Schritt voranzukommen“, bezeichnet. Gottes Mühlen mahlen in Rom eben ein wenig langsam.

Vielleicht ist Harnoncourts Initiative ja auch ein wenig gefährlich für die, die am liebsten alles so lassen wollen, wie es ist: Denn seine Argumente sind bestechend, sein Ansatz schlicht, aber klar und so fundiert, dass es schwerfallen dürfte, ihn mit dogmatischen Argumenten auszuhebeln.

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