Konsequente Künstler-Touristin

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Isa Rosenbergers erste Museumsschau in Wien zeigt Ideologien in Bewegung.

Ru¾ena Dinková, geboren 1928, steht auf der Nový Most-Brücke in Bratislava. Sie blickt in die Ferne Richtung Österreich und sinniert über das Verhältnis von Osten und Westen in der Zeit vor der „Samtenen Revolution“. „In der Vergangenheit war unsere Vorstellung vom Westen mit Demokratie, Freiheit und generell mit anderen Lebensbedingungen als die, die in den Zeiten des Sozialismus bei uns herrschten, verbunden.“ Zu sehen und zu hören ist die rüstige Slowakin in einem Film in der Wiener Secession. Gemeinsam mit Tochter und Enkelin sind die drei Frauen Protagonistinnen einer spannenden Videoarbeit von Isa Rosenberger. „Nový Most“ ist das aktuellste Werk der österreichischen Künstlerin; es setzt sich wie die meisten ihrer Arbeiten mit den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen im postsozialistischen Europa auseinander und hinterfragt in einer vielschichtigen künstlerischen Sprache den gesellschaftlichen Wandel im ehemaligen „Ostblock“.

Die Brücke in Bratislava

Die „Neue Brücke“ in Bratislava, eine der größten Hängebrücken der Welt, wurde zwischen 1967 und 1972 gebaut. Als machtvolles Gebäude, dessen rundes Café an ein UFO erinnert, ist es von zahlreichen Kontroversen umrankt. Aufgrund des Baus wurde nahezu das gesamte jüdische Viertel der Altstadt niedergerissen, zugleich kursiert die Geschichte, dass das kommunistische Regime nicht wollte, dass die Leute von der Brücke auf das „kapitalistische“ Österreich blicken können.

Stets führt Rosenberger mit den vor Ort lebenden Zeitzeugen einen intensiven Dialog. In mehrwöchigen Prozessen fragt sie sie nach ihren persönlichen Erfahrungen und beleuchtet die jeweilige Sichtweise der jüngsten Geschichte. Durch ihre Interventionen in Form von künstlerischer Feldforschung gelingt es Rosenberger, neue Geschichten jenseits der offiziellen Geschichtsschreibung zu erzählen. Dabei richtet sie den Blick besonders auf Frauenschicksale: „Mich interessiert, wenn Ideologien in Bewegung geraten – und ich frage mich, inwieweit in diesen Prozessen auch ein emanzipatorisches Potenzial stecken kann. Denn sobald etwas in Bewegung gerät, gibt es auch die Chance, Neues zu definieren.“

Dass sie dabei die ästhetisch-künstlerischen Aspekte mit im Blickfeld hat und ihre Arbeiten nicht durch theoretische Studien zu ersetzen wären, spiegelt die Secessions-Schau. Rosenberger richtet die Aufmerksamkeit auf architektonische und skulpturale Denkmäler, zugleich vermittelt sie ihre Recherchen auf ausgesprochen sinnliche Art und Weise. In der Secession zeigt sie das „Nový Most“-Video in Form einer mehrteiligen Rauminszenierung, bei der die Besucher den Film von einer Skulptur aus betrachten können, die eine reduzierte Nachbildung des Panorama-Cafés der „Neuen Brücke“ darstellt.

Es war längst an der Zeit, dass ein Wiener Museum Isa Rosenberger eine eigene Ausstellung widmet, gehört doch die 1969 in Salzburg geborene und seit Jahren in Wien lebende Künstlerin zu den konsequentesten Protagonistinnen des heimischen Kunstbetriebs. Eine größere Museumsschau gab es in Wien bisher aber nicht. Meist waren die Werke im Ausland bei Ausstellungen und Filmfestivals zu sehen. Bekannt wurde Rosenberger durch ihr erstes größeres Videoprojekt „Sarajevo Guided Tours“ (2001). Rosenberger thematisiert hier ihren Blick als „Künstler-Touristin“ auf Sarajevo und konfrontiert diesen mit der Perspektive der Stadtbewohner, so dass sich eine alternative Sichtweise auf die wie kaum eine andere zum Medienmythos stilisierte Stadt ergibt.

Neue Sicht auf Sarajevo

Dass Rosenberger den damals eingeschlagenen Weg unbeirrbar weiterverfolgt hat und heute zu den Hoffnungen des österreichischen Kunstbetriebs zählt, unterstreichen auch die anderen beiden in der Secession gezeigten Werke. In der „Videoinstallation „Ein Denkmal für das Frauenzentrum“ (2005-06) umkreist sie ein klassisches Denkmal des sozialistischen Realismus’ in der ehemaligen DDR, während sie in der Foto-Text-Serie „Warschauer Nike“ (2007) Warschauerinnen nach ihren Assoziationen und Erinnerungen in Zusammenhang mit dem pathetischen Denkmal des Sieges der Polen über die Deutschen befragt.

ISA ROSENBERGER

Secession

Friedrichstraße 12, 1010 Wien

www.secession.at

Bis 7. 9. Di–So 10–18, D0 10–20 Uhr

Katalog dt./engl. mit einem Essay von Marina Gr¾ini´c und Gespräch von Barbara Steiner mit Isa Rosenberger, Wien 2008, 54 Seiten, € 10,–