Konsequenter Kunst-Kosmos

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Die großartige Anna Oppermann-Personale in der Generali Foundation wurde leider zum Abschiedsgeschenk von Direktorin Sabine Breitwieser.

Unzählige Zeichnungen, Fundstücke, Malereien. Auch zerrissene Papierfetzen, Fotos, Holzbausteine, gedruckte und handgeschriebene Texte - alles dicht wie in einer barocken Kunst- und Wunderkammer oder einer Votivstätte neben- und übereinander drapiert. "Irgendwie ist sie so anders" nennt sich die expansive altarähnliche Installation der 1993 mit 53 Jahren verstorbenen Anna Oppermann, der jetzt erstmals eine umfassende Personale in Österreich gewidmet ist. Das raumgreifende Arrangement ist eines von sieben in wochenlanger Arbeit reinszenierten Ensembles der deutschen Außenseiter-Künstlerin, die derzeit in der Generali Foundation zu entdecken sind. Ein ausuferndes Werk, das in seinem offenen poetischen Charakter, seiner zutiefst subjektiven und zugleich messerscharfen gesellschaftskritisch-reflexiven Haltung zeitgemäßer wirkt als Vieles, was man im Sommer auf Biennale und Documenta gesehen hat.

Objekt, Skizze und Bild

Sie wollte sich "einfach nicht entscheiden, was im Hinblick auf die Aussage wichtiger oder als besser gelungen zu bezeichnen sei: das reale Objekt, die Skizze, die gedankliche Auseinandersetzung oder das fertiggestellte Bild", schrieb Anna Oppermann einmal und stellte kurzerhand alles aus. Ein Vorgehen, das in den 1970er-Jahren heftig polarisierte: autistisch, subjektivistisch und monoman sei ihre Kunst, so das Urteil der Kritiker. Erst in den 1980er-Jahren wurde die Bedeutung von Oppermanns innovativem künstlerischen Ansatz, eine ungewöhnliche Verbindung aus Konzept-, Raum- und Prozesskunst, international erkannt. Die Teilnahme an der Documenta, den Biennalen von Venedig und Sydney sowie der Ruf an die Hochschulen von Hamburg, Wuppertal und später Berlin waren die Folge.

Anna Oppermann hat stets danach gestrebt, mit ihrer Kunst eine Vermittlerin "zwischen Ratio und sinnlicher Wahrnehmung, zwischen Kunst und Wissenschaft, Normalbürger und Außenseiter" zu sein. Dabei ging sie bereits in den 70er-Jahren von einem sich an wissenschaftlichen Strategien orientierenden Kunstbegriff aus, der in Ausstellungen nicht fertige, im Atelier hergestellte Werke präsentiert, sondern Kunst als sprachlich-bildhaften Prozess begreift, der in jeder Ausstellung wieder neu gestaltet wird. Die Rauminszenierungen spiegeln Oppermanns Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, der Rolle der Künstlerin in der Gesellschaft und dem Verhältnis von Schein und Sein. Sie führen einen überbordenden, künstlerischen Kosmos vor Augen, der von psychoanalytischer, soziologischer und philosophischer Lektüre genauso inspiriert worden ist wie von Alltagskitsch und Trivialkultur.

Ein wunderbar üppiger Schwanengesang, den die künstlerische Leiterin der Generali Foundation kurz vor ihrem Abgang mit Gastkuratorin Ute Vorkoeper angestimmt hat. Zwar konnte Sabine Breitwieser, die Ende Oktober ihre Tätigkeit beendete, nicht ahnen, dass diese mit dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart gemeinsam veranstaltete Schau ihr Abschiedsgeschenk werden würde, passend erscheint sie trotzdem.

Was in Wien fehlen wird

Denn die Oppermann-Präsentation zeigt ein letztes Mal vor der äußerst fragwürdigen Partnerschaft mit der Bawag Foundation ("Foundations(s)quartier" ab Januar 2008), die Sabine Breitwieser nicht mittragen wollte, welch hervorragend konsequente und für die Wiener Kunstlandschaft bitter notwendige Arbeit sie geleistet hat. Die Schau reiht sich in eine Reihe von Ausstellungen der Generali Foundation, die in Österreich viel zu wenig bekannte Wegbereiterinnen der Gegenwartskunst wie Mary Kelly und Martha Rosler vorstellten - begleitet von wissenschaftlich gründlich recherchierten Publikationen.

Zugleich widerlegt die Ausstellung den Vorwurf, die Generali Foundation habe vor allem bei einem breiten Publikum wenig beliebte Konzeptkunst gezeigt. Eine lebendigere Gegenwartskunst-Schau als diese hat man selten gesehen. Ganz zu schweigen davon, dass Anna Oppermann jungen Künstler-Chaoten à la Jonathan Meese (derzeit in der Sammlung Essl), John Bock oder Tracy Emin ein schweres Erbe hinterlassen hat, an dessen Komplexität nicht mehr so leicht heranzukommen ist.

Anna Oppermann. Ensembles

Generali Foundation

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien

http://foundation.generali.at

Bis 16. 12. Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr

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