Konsumkritik im Islam

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Wirtschaftswissenschafter Ahmed Akas unterrichtet an der Islamischen Fachschule für Sozialberufe in Wien 7.

Die Furche: Welche Rolle spielt die soziale Gerechtigkeit im Koran?

Ahmed Akas: Es gibt mehrere Suren, in denen das Thema soziale Gerechtigkeit angesprochen wird. Der Islam ist konsumkritisch. Die "Suffizienzstrategie" tritt für eine Minimierung des Konsums ein, damit weniger Ressourcen verbraucht werden. Die islamische Pflichtabgabe Sakat ist nach unserem Verständnis ein Menschenrecht: Ein armer Mensch soll zu einem Vierzigstel Anteil am Gut eines reichen Menschen haben. Der Reiche soll diese Abgabe jährlich leisten. Das ist eine Art Vermögenssteuer zur Deckung der Grundbedürfnisse. Das impliziert Wohnung, Kleidung, Essen, eventuell auch ein Auto. Der Prophet Muhammad hat festgelegt, dass diese Abgabe ab einem Besitz von 96 Gramm Goldwert geleistet werden muss. Die Praxis des Propheten ist für uns der Maßstab bzw. Mindestwert. In Österreich gibt es keine Stelle, die den Sakat organisiert. Die Menschen tun das aber, wenn sie gläubig sind. Es wäre nicht schlecht, wenn dieses Menschenrecht universal praktiziert würde. Gerade im Hinblick auf die globale Nord-Süd-Problematik sind solche religiösen Ansätze wichtig.

Die Furche: Wie engagieren Sie sich für die Ziele des Schutzes der Umwelt?

Akas: Ich unterrichte in der berufsorientierenden Fachschule für Sozialberufe in der Neustiftgasse in Wien das Fach "Umweltbildung und Umweltethik". Dieses Fach gibt es dort seit einem Jahr.

Die Furche: Verlangt der Koran ein bestimmtes Wirtschaftssystem?

Akas: Nein, man kann nicht sagen, dass der Islam ein bestimmtes wirtschaftliches Konzept hat. Alle Handlungen der Menschen sollen aber mit der Schöpfung im Einklang stehen. Hier spielt das islamische Menschenbild eine ganz große Rolle. Der Mensch ist Kalif, ein Vertreter oder Nachfolger Gottes. Kalif zu sein, hat auch mit Verantwortung zu tun. Die Schöpfung ist uns anvertraut. In der Bibel habe ich den Satz "Macht euch die Erde untertan" gelesen. Das ist eher nicht akzeptabel. Der Mensch hat eine hohe Stellung in der Schöpfung, hat aber auch Grenzen. Wir haben Verfügungsgewalt in der Schöpfung, nicht über die Schöpfung. Auch unser Körper ist uns anvertraut. Das ist eine Fassade der sichtbaren Welt, die uns von Gott gegeben wurde. Und er wird mich fragen, wie ich mit meinem Körper umgegangen bin. Umwelt beginnt eigentlich nicht außer uns, sondern in uns. Wir haben keine Umweltkrise, sondern eine "Inweltkrise", wie es Rudolf Bahro ausdrückt.

Die Furche: Verbietet der Islam - wie es im Judentum und im Christentum bis ins Mittelalter der Fall war - das Zinsennehmen?

Akas: Ja, das gibt es bei uns heute noch. Man darf zwar ein Sparkonto haben, aber ohne Zinsen. Zinsen zu nehmen hat eine ausbeuterische Auswirkung.

Durch die Zinsnahme, den Kredit, setzen wir unsere Zukunft aufs Spiel. Wir können nicht voraussehen, was in der Zukunft passiert. Es ist aber wahrscheinlich, dass das unsere Existenz als Mensch zerstört. Das ist genau das Anliegen der Nachhaltigkeit, die Zukunft im Blick zu haben. Dieses Thema ist eine gute Schnittstelle zwischen den abrahamitischen Religionen.

Das Gespräch führte Gunnar Bach.

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