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Der Ausnahme-Bildhauer Walter Pichler im Tiroler Landesmuseum.

Was weiß man über den Südtiroler Bildhauer und Zeichner Walter Pichler, geboren 1936 in Deutschnofen im Eggental, der seit Beginn der 1970er Jahre für sich und seine Skulpturen, Zeichnungen und installativen Arbeiten aus Lehm Holz, Metall, Glas, Bronze in St. Martin/Burgenland sieben mythische Behausungen gebaut hat? Dort gibt es zum Beispiel Sitzgruben, Schlafplätze, Laubhütten und Wohnstellen wie "Das Haus für den Rumpf und die Schädel" oder "Das Haus für die Drei Stäbe"; alle in schier spiritueller Hingabe bis ins Detail durchkomponiert. Auf diesem magischen Fleckchen Erde - zu dem heute schon wahre Pilgerzüge hinstreben - sucht Pichler mit seinen Werken, die ihre Wohnhöhlen nur zu Ausstellungen verlassen, Abstand von der Realität.

Aber wer ist Walter Pichler wirklich? Auf keinen Fall will er als "Künstler" bezeichnet werden; schon gar nicht als "kreativ" oder "sonst etwas ähnlich Scheußliches". "Woher komme ich?", möchte er wissen. Die Antwort ist möglicherweise auch für ihn kompliziert, obwohl seine offiziellen Lebensstationen relativ geordnet erscheinen: Studium in Wien und Paris, Aufenthalte in New York und Mexiko; ab 1963 Ausstellungen mit Hans Hollein in der Galerie nächst St. Stephan und im Museum of Modern Art, New York mit Hollein und Abraham, und in der Albertina; Teilnahme an der documenta IV und an der Biennale.

Schon ab den 1970er Jahren jagt ein Schau-Event das andere. Die wichtigen musealen Nobelherbergen Europas und der USA präsentieren Walter Pichlers kritisch unterlaufene Stellungnahmen zu einer sich mehr und mehr vertechnisierenden Welt. Seine archaisch karg angelegten Plastiken und Zeichnungen, angesiedelt zwischen Architektur und Skulptur, scheinen die zivilisationsgeplagten Bewohner unserer mediensüchtigen Erde schon bald zum Nachdenken zu zwingen. Pichler wird zur Kunstfigur.

Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zelebriert zur Zeit eine große Walter Pichler-Werkschau. "Es ist doch der Kopf, mit dem ich mich während meiner langen Arbeitsjahre am intensivsten beschäftigt habe", meint er dazu. "Es ist doch der Kopf" nennt der Künstler-Philosoph daher diese Retrospektive, die zwölf Skulpturen und rund 100 Zeichnungen umfasst - darunter 40 Grafiken und eine Skulptur als Leihgaben der Galerie Thoman in Innsbruck, die schon früh die Bedeutung Pichlers erkannt hat.

Das Leben des "Kunstfremdlings" war stets von seinen Zeichnungen geprägt, bis sich die Zeichnung aus der gegenständlichen Beobachtung heraus verselbstständigt hat. Auch Pichlers Weg zur Skulptur führt über das Zeichnen, so dass sich Skulptur und Grafik im Gesamtwerk verschränken.

Angefangen von den beinahe seherischen Architekturentwürfen wie den "Mündungen einer unterirdischen Stadt" (1963), in der man sich vor den "Krankheitsprozessen des Lebens" schützen kann, über geheimnisvolle "Prototypen" (1966) bis zum "Pneumatischen Raum" Prototyp V (2007), eine Installation aus durchsichtiger Plastikfolie, in der der Mensch (möglicherweise?) herrlich reine Luft einatmen und somit (vielleicht?) seinen Kopf retten könnte, wölbt sich der museale Ausstellungsbogen im Landesmuseum. Er zieht sich folgerichtig über die kafkaeske "Schädeldecke" von 1979 bis zum metallen glänzenden "Doppelkopf" von 1987 und zur "Schädeldecke (wie ein Gebäude)" aus dem Jahr 2007, in die sich der geprügelte Gutmensch zusammen mit der "Kopfgeburt" von 2006 flüchten könnte.

Einem anderen "Kopf" (1989) hat das Leben längst ein ordentliches Loch gebohrt, während der "Doppelraucher"(2006) sich selbst durch Eigenbohrung hingemeuchelt hat, was man vom "Nasenbohrer" (2004) absolut nicht behaupten darf. Pichler, der Visionär, warnt im "Kleinen Rumpf und der zusammengesetzten Figur" mit Brust- und Kopfschild (2007) vor Weltkatastrophen und ahnte schon vor Jahren die menschliche Vereinsamung im "TV-Helm (Tragbares Wohnzimmer)", 1967, und "Kleinen Raum" (Tonhelm), 1968, voraus. Genützt hat es wenig. Nun - Walter Pichler hat immerhin sein kleines Universum in St. Martin und die Schmiede des Großvaters. Aber was haben wir?

Walter Pichler

Es ist doch der Kopf

Tiroler Landesmuseum

Museumstraße 15, 6020 Innsbruck

Bis 11.5. Di-So 9-18 Uhr

www.tiroler-landesmuseum.at

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