Kostbarkeit auf Papier

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Papyrusmuseum der Nationalbibliothek zeigt Schriftstücke aus dem „Weißen Kloster“.

Unzählige Kunstschätze aus Ägypten wurden im Laufe der Jahrhunderte von westlichen Abenteurern, Händlern und Archäologen außer Landes geschafft. Objekt der Begierde waren nicht nur Relikte aus pharaonischer Zeit, sondern auch Überreste der spätantiken christlichen Kultur. So wurde die Bibliothek des 400 Kilometer südlich von Kairo gelegenen Weißen Klosters über 100 Jahre lang geplündert, bevor Archäologen die letzten verbliebenen Blätter einsammelten. Heute sind die Überreste dieser Bibliothek über viele Sammlungen auf drei verschiedenen Kontinenten verstreut. Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt eines der weltweit größten Konvolute von Blättern und Fragmenten aus dem Weißen Kloster. Diese Handschriften stehen im Zentrum der Ausstellung „Spätantike Bibliotheken“ im Papyrusmuseum der Nationalbibliothek.

Karges Klosterleben?

Mit der Bibliothek in Alexandria ist die Bibliothek des Weißen Klosters nicht vergleichbar, ebenso wenig mit den Klosterbibliotheken Europas und Konstantinopels, in denen die griechische und römische Literatur bis in die Neuzeit bewahrt wurde. In den spätantiken Klosterbibliotheken Ägyptens nämlich wurde auf die Tradierung der klassischen Literatur kein Wert gelegt, man beschränkte sich auf christliche Schriften. In den Ruinen des Weißen Klosters wurden aber nicht nur die Überreste von Bibeln, Heiligenlegenden, Konzilsakten oder liturgischen Texten gefunden, sondern auch private und geschäftliche Briefe, Notizzettel und Verträge, die einen Einblick in das damalige Leben innerhalb und außerhalb der Klostermauern geben.

Zu einem ägyptischen Kloster gehörten immer auch Einsiedeleien verschiedener Größe, in denen zwei oder mehr Mönche in der Einsamkeit der Wüste lebten. In den Klöstern selbst stellte die Produktion von Büchern nicht die wichtigste Beschäftigung der Mönche dar. Sie mussten ihren Lebensunterhalt selbst besorgen: Dazu arbeiteten sie in der Landwirtschaft, flochten Körbe, Matten, Seile, verkauften ihre Erzeugnisse in den Dörfern der Umgebung und trieben sogar Steuern ein. Offiziell bestand ihre kärgliche Nahrung aus Brot, Gemüse und ein wenig Öl, in den Küchen der Einsiedeleien freilich fanden Archäologen auch Tierknochen und Überreste von Fischen. Die Klosterregeln verboten den Genuss von Wein, doch verdächtig viele schriftliche Anekdoten über den Weinkonsum sowie Amphorenfunde lassen darauf schließen, dass manche Mönche dennoch dem Alkohol zusprachen.

Auch andere Funde belegen eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Obwohl Besitzlosigkeit Pflicht war, besaßen zumindest einige Mönche Sklaven: Das Papyrusmuseum zeigt eine Freilassungsurkunde, die festhält, dass der Mönch Viktor, sein Lebensende vor Augen, dem Sklaven Menas die Freiheit schenkt. Ebenso war sexuelle Belästigung nichts Unbekanntes: In einem Brief des Abtes Schenute, der viermal pro Jahr verlesen wurde, belegt der Klostervorsteher all jene Brüder mit einem Fluch, die Novizen begrapschen oder zu küssen versuchen.

Ende durch Arabisierung

Dieser ebenso charismatische wie rabiate Mönch gehört noch heute zu den wichtigsten Heiligen der koptischen Kirche. Unter Schenutes Führung wuchs das Weiße Kloster, das bis dahin 30 Mönche beherbergte, zu einer Gemeinschaft von über 2200 Mönchen und fast 2000 Nonnen an. Schenute sprach noch Griechisch und kannte die antike Literatur, doch er schrieb nur noch auf Koptisch und ging mit Vehemenz gegen alles Heidnische vor. Er unternahm Strafexpeditionen gegen Ungläubige; ein Schriftstück in der Ausstellung schildert, wie sein Schüler Besa einen Tempel in Brand steckt und den dazugehörigen Priester auf den Scheiterhaufen wirft. Schenute soll 465 n. Chr. im Alter von 118 Jahren gestorben sein.

Mit der Arabisierung Ägyptens im achten Jahrhundert wurde allen nicht-muslimischen Bürgern eine Kopfsteuer auferlegt – das war das Todesurteil für die meisten Klöster. Vom Weißen Kloster hat allein die Kirche die Jahrhunderte bis heute fast unbeschädigt überstanden.

Spätantike Bibliotheken

Leben und Lesen in den frühen

Klöstern Ägyptens

Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek

Neue Burg, Heldenplatz 1, 1010 Wien

www.onb.ac.at

Bis 14. 11. Mo– Fr 9–13 Uhr

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