Krankheit hindert nicht am Engagement

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Hildegard Freund wird am 30. Jänner 1883 in Görlitz an Neiße in eine jüdische Mittelstandsfamilie geboren. Die Eltern ziehen nach Berlin, dann in die Schweiz, wo Hildegard ein Germanistikstudium beginnt. 1907 heiratet sie den ungarisch-jüdischen Industriellen Alexander Burjan.

1908 erkrankt sie in Berlin an einem schwerem Nierenleiden und wird nach mehreren Operationen von den Ärzten aufgegeben. 1909 genest sie überraschend. Im selben Jahr Übertritt zum katholischen Glauben und Übersiedlung nach Wien. 1910 Geburt von Tochter Lisa unter Lebensgefahr - Ärzte hatten zur Abtreibung geraten.

1911 Beginn des sozialen Engagements von Hildegard Burjan in Wien für Heimarbeiterinnen: Einsatz für gerechte Entlohnung, Wöchnerinnenschutz, Mobilisierung der Öffentlichkeit gegen Kinderarbeit. Ab 1914 organisiert sie in Wien Hilfsprojekte für die wegen des Ersten Weltkriegs notleidende Bevölkerung. Als christlichsoziale Abgeordnete zieht sie 1918 in den Wiener Gemeinderat ein.

1919 wird Hildegard Burjan die erste (und einzige) Abgeordnete der Christlichsozialen Partei in der deutschösterreichischen Nationalversammlung. Im selben Jahr gründet sie die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis. 1920 Rückzug aus der Politik, um sich ganz dem Aufbau der Caritas Socialis zu widmen, die sie als Verheiratete und Mutter leitet.

Initiierung zahlreicher Sozialprojekte, darunter der erste Mutter-Kind-Heim in Wien (1924). Die alte Erkrankung macht Hildegard Burjan in der Folge immer mehr zu schaffen. Am 11. Juni 1933 stirbt sie, gerade 50-jährig, daran.

Zwei biografische Zugänge zur neuen Seligen

Zwei Biografien, beide im Jahr 2008 erschienen, vermitteln ein umfassendes und zeitgemäßes Bild der Persönlichkeit von Hildegard Burjan. Der ausführliche Band "Hildegard Burjan. Frau zwischen Politik und Kirche“ von Ingeborg Schödl (vgl. Artikel oben) bietet eine zeithistorisch kompetente und journalistisch gut aufbereitete Darstellung dieser "Powerfrau“ der Ersten Republik“. Schödl gelingt es unter anderem gut, auch den politischen Weitblick der Burjan herauszuarbeiten, die - auch im Gegensatz zu ihrem geistlichen Freund Ignaz Seipel - sich über den Nationalsozialismus keinerlei Illusionen machte, was wohl auch mit ihrer jüdischen Herkunft zu tun hatte. Diese hatte sie ja auch dem katholischen Wien suspekt gemacht.

Die zweite Biografie "Selig, die nach der Gerechtigkeit dürsten“ stammt vom lange Jahre in Wien und in Freiburg wirkenden Dogmatiker Gisbert Gershake, der auch das Spannungsfeld Christentum-Judentum in der Lebensgeschichte Hildegard Burjans thematisiert und den Fokus auf ihre "neuzeitliche Spiritualität“ legt. Das Motto der Seligsprechung "Leben in Spannungen“ ist eine Kapitelüberschrift in Greshakes Buch, das sich wesentlich kürzer fasst als die durchdachte Monografie von Ingeborg Schödl. Aber auch Greshake vermittelt die wesentlichen Züge dieses Lebens kompetent und gut lesbar. (ofri)

Hildegard Burjan

Frau zwischen Politik und Kirche.

Von Ingeborg Schödl, Wr. Dom-Verlag 2008

231 Seiten, kartoniert, e 16,90

Selig, die nach der Gerechtigkeit dürsten

Hildegard Burjan: Leben - Werk - Spritualität.

Von Gisbert Greshake, Tyrolia 2008

120 Seiten, gebunden, e 14,95

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