Krieg in Bildgeschichten

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Auch Comics können die kriegerische Gewaltherrlichkeit wirkungsvoll durchleuchten. Die Kombination von Bild und Text ermöglicht besondere Gestaltungsweisen.

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Auch Comics können die kriegerische Gewaltherrlichkeit wirkungsvoll durchleuchten. Die Kombination von Bild und Text ermöglicht besondere Gestaltungsweisen.

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Der französische Comic-Zeichner Jacques Tardi, dessen Werk auf Deutsch beim Verlag Edition Moderne erscheint, hat schon in den 1980er-Jahren den Ersten Weltkrieg in Comics überführt (Adele-Reihe). Das setzt der Doppelband "Elender Krieg" fort, der 2014 neu aufgelegt wird. Einen historischen Mehrwert bringt die besondere Art der Repräsentation: Am Ende der gezeichneten Geschichte beginnt ein Anhang zum Kriegsdiskurs, im Fall des Ersten Weltkrieges also zu Kriegsaufrufen, Jubelartikeln und historischen Fotodokumenten aus Frankreich. Sie stehen in scharfem Kontrast zur pazifistischen Haltung Tardis, lassen aber erhellende Rückschlüsse auf seine Arbeitsweise zu.

Entschiedene Anti-Kriegsliteratur

Tardi entwickelt seine deutlich im Comicstil ausgeführten Figuren meist vor einem explizit authentischen (nicht: naturalistisch) Hintergrund. Das bedeutet in diesem Fall die genaue Rekonstruktion von Schützengräben und Waffengattungen vom Zeppelin bis zu den schweren Kanonen der Artillerie. Doch bei aller Detailgenauigkeit entgeht die Szenerie jeglichem Militaria-Fetischismus. Erstens wegen der schaurig-sichtbaren Leichenund Krüppelproduktion der Kriegsmaschine, zweitens wegen der klaren Haltung des Erzählers: "Dieser Krieg wurde fieserweise immer industrialisierter, und das mit großem Profit, über unsere Leichen hinweg!"

Entschiedene Anti-Kriegsliteratur ist es auf jeden Fall, sie findet in dem aktuellen Band "Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B"(Edition Moderne 2013) über den Zweiten Weltkrieg eine radikale Fortsetzung. Diesem Fall liegt die Geschichte von Tardis Vater René zugrunde, der kurz nach Beginn des Wehrmachtsangriffs auf Frankreich gefangen genommen wurde. Das Thema der Franzosen in deutscher Kriegsgefangenschaft ist im "patriotischen" Frankreich noch immer heikel, umso schonungsloser geht Tardi damit um. Er selbst tritt als kleiner, ewig den Vater fragender Junge in der historischen Szenerie auf, das ist erzählerisch geschickt und ein origineller Kommentar zum großen Schweigen der Kriegsheimkehrer jeder Nation. In Wirklichkeit schwieg sich Tardis Vater René in der Familie aus.

"Auf den Spuren Rogers"(avantverlag 2013) bewegt sich Florent Silloray in einem Comic über seinen Großvater Roger Brelet, der im Stalag IV B in Mühlberg an der Elbe gefangen war. Silloray hat das gleiche Thema wie Tardi, aber seine eigene Bildsprache und ein anderes fiktionales Konzept. Hier trifft sich ein französischer Historiker mit einem deutschen Kollegen, um gemeinsam die Geschichte der Gefangenenlager zu erforschen. Bei Tardi werden zwei Zeiten überblendet, hier werden sie scharf getrennt, auch in der zeichnerischen Gestaltung von Gegenwart und Kriegszeit.

Der Krieg lebt vom Feindbild, was zwei weitere Comics auf ihre je eigene Weise ausführen. Wilfried Lupano (Text) und Jeremie Moreau (Bild) erzählen in "Der Affe von Hartlepool"(avant-verlag 2013) die groteske Geschichte eines Schimpansen, der, von seinen einstigen französischen Besitzern spaßeshalber in eine Uniform gesteckt, nach einem Schiffbruch am Strand von Hartlepool erscheint und von den englischen Dörflern für einen Franzosen gehalten wird, denn einen Franzosen haben sie noch nie gesehen. Aber "ein Franzose muss bekannterweise klein und hässlich sein", und der Hass auf den Erbfeind steckt ihnen dermaßen in den Knochen, dass sie dem Affen den Prozess machen.

Mörderische Kolonie im Kongo

Tom Tirabosco (Zeichnung) und Christian Perrissin (Text) sind mit Joseph Conrad im Kongo, wo der belgische König Leopold II. einst seine mörderische Privatkolonie errichtete. In Conrads Tagebuch wie auch dem späteren Roman "Herz der Finsternis" geht es erzählerisch und psychologisch immer um die Schwelle zwischen dem Wissen um die Wirklichkeit des Massenmordes und dem verlogenen Mythos vom weißen Mann als Zivilisationsbringer. In "Kongo. Joseph Conrads Reise ins Herz der Finsternis" (avant-verlag 2013), einer frei nachempfundenen Bildgeschichte, fragt den delirierenden Korzeniowski (d.i. Joseph Conrad) seine geliebte Tante: "Wenn du dir einmal eingestanden hast, dass hier vor allem Abenteurer am Werke sind und Piraten, Krämerseelen und Händler, was tust du dann?" Conrads Antwort: Er schrieb Romane, die kriegerische Gewaltherrschaft wirkungsvoll durchleuchten. Das können auch Comics.

"'Auf den Spuren Rogers' bewegt sich Florent Silloray in einem Comic über seinen Großvater Roger Brelet, der im Stalag IV B gefangen war."

"Das Thema der Franzosen in deutscher Kriegsgefangenschaft ist im 'patriotischen' Frankreich noch immer heikel, umso schonungsloser geht Jaques Tardi damit um."

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