Was sind Sie, wenn ich fragen darf, für ein Jahrgang? fragt der weißhaarige Mann seinen Nachbarn, der den Fragenden um fast zwei Köpfe überragt. Und der Große mit der Glatze sagt bereitwillig: "1928". Worauf der Kleine mit der karierten Mütze "1925" antwortet. Weil sie einem Ehepaar die Sitzplätze freigemacht haben, kommen sie im städtischen Bus nebeneinander zu stehen. Der Ältere erzählt, dass er soeben aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, man habe ihm, er war im Weltkrieg bei der Fliegerabwehr, einen Granatsplitter aus dem Oberschenkel entfernt. Darauf fragt der andere nach der Einheit, denn er sei auch bei der "Flak" gewesen. Ehe man sich's versieht, sind die beiden Fremden durch ihre Kriegsgeschichte verbunden, Ukraine, Kaukasus, Stalingrad, von Sonnenaufgängen ist die Rede und von einer arg beschädigten Kanone. Bevor sie ihre eigenen Namen genannt haben, geht es schon um die Namen von Kameraden, haben Sie den gekannt oder den ...
Vor drei Wochen habe ich zum ersten Mal das Kriegstagebuch meines Vaters gelesen. Obwohl bei uns zuhause oft vom Krieg die Rede war, habe ich hier vieles neu erfahren. Von der grausligen Alltäglichkeit des Kriegs war bei uns wenig zu hören. Wie jung diese Soldaten waren! Als der 8 cm lange Splitter der Granate in den Oberschenkel jenes inzwischen grau gewordenen Herrn einschlägt, ist er gerade 19 Jahre alt. Mein Vater wurde mit 21 Jahren eingezogen. Jetzt weiß ich, was wir 2005 feiern müssen: wir sollten in erster Linie jenen von Herzen dankbar sein, die gegen diesen Krieg und das Dritte Reich gekämpft haben - denen im eigenen Land und jenen aus dem Ausland. Sie haben nämlich im Jahr 1945 verhindert, dass auch unser Leben durch einen Krieg geprägt wurde.
Der Autor arbeitet am Kulturforum der Österreichischen Botschaft in Berlin.
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