Kriegsheld und Kriegsverbrecher in einer Person

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Es gibt keine kugelsichere Weste in meiner Größe", zitierte das US-Nachrichtenmagazin Newsweek den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon. Die vorangegangene Frage, wie sich Sharon vor Attentaten schützen wolle, stellte ein Abgeordneter des israelischen Parlaments während der Debatte um den umstritten Abzugsplan jüdischer Siedler aus dem Gazastreifen.

Dienstagabend stimmten schließlich 67 der 120 Abgeordneten für den Plan, der die Räumung aller 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen sowie von vier der 120 Siedlungen im Westjordanland vorsieht. Sharon war auf Stimmen der Opposition angewiesen, da der Plan von Teilen seiner Likud-Partei abgelehnt wurde. Gleich nach der Abstimmung entließ Sharon einen Minister sowie einen Vize-Minister, die gegen seinen Plan gestimmt hatten.

So kennt die Welt Ariel Sharon: ein Machtpolitiker mit den Methoden eines "Bulldozers". Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Absichten zieht sich durch seine Karriere. Als Kommandant einer berüchtigten Sondereinheit tötete er 1953 in dem Dorf Hibiye in Jordanien 66 Zivilisten und ging später auch im Gaza-Streifen rücksichtslos gegen Palästinenser vor. Damit hat er sich frühzeitig bei Israelis und im Ausland den Ruf des "Araberfressers" erworben.

Als Verteidigungsminister befahl Sharon Israels Einmarsch im Libanon. Später gab ihm eine vom Obersten Gerichtshof Israels eingesetzte Untersuchungskommission die Mitverantwortung für die Massaker an 1.500 Palästinensern in den Beiruter Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. Dies kostete ihn sein Ministeramt - und Überlebende der Massaker haben erreicht, dass Sharon nach dem Ende seiner Amtszeit in Belgien der Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemacht werden kann.

Araberfresser & Retter Israels

Für viele Israelis verkörpert der 1928 als Ariel Scheinerman in Tel Aviv geborene Sharon jedoch die alten zionistischen Werte: Er ist der Kriegsheld, der 1973 während des Yom-Kippur-Krieges seine Soldaten auf eigene Faust über den Suez-Kanal führte. Viele feiern ihn noch heute als "Retter Israels". Wie kaum ein anderer unterstützte Sharon den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau in den 1967 besetzten Gebieten. Er war gleichzeitig derjenige, der 1982 jüdische Siedlungen auf dem Sinai bei der Umsetzung des Separatfriedens von Camp David mit Ägypten evakuieren ließ. Auch jetzt ist er zur Räumung der Siedlungen im Gaza-Streifen bereit, wenn dafür sein Trennungsplan von den Palästinensern und der Welt, vor allem den USA, anerkannt wird.

Doch Sharons Forderungen lassen es fraglich erscheinen, dass so Frieden möglich ist. Sein palästinensischer Mini-Staat auf 40 Prozent des Westjordanlandes und 75 Prozent des Gaza-Streifens hätte nicht die elementaren Wesensmerkmale eines Völkerrechtssubjekts. Ein enger Vertrauter Sharons hat auch kürzlich das wahre Drehbuch für die Zeit nach dem Rückzug aus Gaza vorgelegt: Die Bedeutung des Abzugsplans liege darin, dass der Friedensprozess damit auf Eis gelegt werde. Damit könne nämlich die Bildung eines Palästinenserstaates verhindert werden - und erneut die Debatte um Flüchtlinge, Grenzen und Jerusalem weiterkreisen. Im Klartext: Sharon opfert Gaza, um die Westbank zu retten. WM/APA

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