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Das Wort Krise ist ein Dauergast in der Medienlandschaft. Politische Verhältnisse, wirtschaftliche Unternehmen, kulturelle Einrichtungen, zwischenmenschliche Beziehungen - allesamt stecken sie in einer tiefen Krise. Dabei ist dem Vokabel seine schlimme Bedeutung keineswegs in die Wiege gelegt. Die Form krisis aus dem Griechischen bezeichnete zunächst nur eine fällige Entscheidung, den Umschwung und Richtungswechsel aus einem Dauerzustand oder schwierigen Prozess. Gerade die Fachsprache der Medizin kennt diese Lesart von Krise noch heute: Auf dem Höhepunkt einer Krankheit fällt die Entscheidung - und diese kann durchaus die Genesung einleiten. Es gibt demnach auch Krisen als notwendige Schaltstellen für ein gutes Ende.

Dass Wörter ihren Nimbus verschlechtern, ist jedem Sprachhistoriker wohlvertraut. Die dafür verantwortlichen Ursachen reichen von Zweckpessimismus über Veränderungen der Werteskala bis zu sozialem Prestigeverlust.

Auch im deutschen Wortschatz fehlt es nicht an vergleichbaren Beispielen. Das Adjektiv gemein, dessen eigentliche Bedeutung sich aus den Ableitungen gemeinsam und Gemeinschaft ablesen lässt, kann man heute kaum noch harmlos gebrauchen, muss es vielmehr durch allgemein ersetzen. In diesem Fall geht die Umwertung letztlich auf eine abschätzige Behandlung der gemeinen, also gewöhnlichen Leute durch die Aristokratie zurück.

Selbst das Eigenschaftswort schlecht war zunächst kein verwerfliches Etikett. Das Adverb schlechthin oder die Wendung schlecht und recht erweisen die Nähe zum anklingenden schlicht und deuten auf die Grundbedeutung "einfach". So verlieren viele Vokabel allmählich ihre semantische Unschuld oder befinden sich - modisch gesprochen - "permanent in der Krise".

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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