Krisen-Schadenfreude auf Tschechisch

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Österreichs Werben für ein Osteuropa-Bankenpaket ist in der EU nicht gut angekommen. In Tschechien weiß man warum: Wer gern viel verdient hat, soll auch gern viel helfen.

Was heißt Schadenfreude auf Tschechisch oder wenigstens auf Englisch? Keine Ahnung. Doch der tschechische Vizepremier Alexander Vondra versteht die FURCHE-Frage, ob es in Tschechien Schadenfreude über die Verluste österreichischer Banken in Osteuropa gibt, auch ohne Übersetzung in seine Mutter- bzw. in die Globalsprache. Vondra antwortet, Österreich hätte "wirklich eine sehr gute Nase bewiesen", als seine Banken in Osteuropa investierten. "Ein Scherz", sagt er dann, lacht laut los, kann sich gar nicht mehr einkriegen, es zerreißt ihn fast …

Der für EU-Fragen zuständige Vondra schläft in der "schwierigsten EU-Präsidentschaft der Geschichte" nur mehr vier Stunden am Tag. Das mag ein Grund für seine Lachsalven sein, mit denen er die österreichische Delegation des Vereins Europäischer Journalisten (AEJ) während eines Gesprächs in Prag bombardiert. Weswegen er das österreichische Werben um ein Osteuropa-Bankenpaket im wahrsten Sinne des Wortes lächerlich findet, liegt aber in jener Erklärung, die ihm in einer kurzen Lachpause entlockt werden kann: "Die österreichischen Banken haben in der Vergangenheit sehr viel Gewinn gemacht, unglaubliche Profite …" Wenn die EU jetzt keine Rettungsaktion für die in die Krise geschlitterten österreichischen Banktöchter in der Ukraine und anderswo startet, sei das "nicht ignorant", denn "es darf keine Solidarität ohne nationale Verantwortlichkeit geben". Das heißt: Österreich soll selbst schauen, dass die osteuropäische Milch, von der sie jahrelang den fetten Rahm abgeschöpft hat, jetzt nicht anbrennt.

"Gut gemeint - das Gegenteil von gut gemacht"

Bei Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg braucht es keine Übersetzung für Schadenfreude; es ist nicht einmal nötig, ihn darauf anzusprechen. Schwarzenberg frank und frei: "Ihr habt fett verdient an der Ausdehnung der österreichischen Banken. Wenn ihr fett verdient habt, dann müsst ihr das leider auch zahlen. Das ist dann wohl klar." Für Österreichs Bemühungen in der EU, auch Osteuropa ein Bankenhilfspaket zukommen zu lassen, hat der Außenminister nur ein "Ach Gott!" übrig - und ein Karl Kraus-Zitat: "Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht." Für den "Mitteleuropäer mit Schweizer Pass" und Büro auf dem Prager Hradschin war "dieses Gerede von osteuropäischen Staaten ein großer Blödsinn". Die Ukraine, Ungarn, Rumänien, Bulgarien - in jedem Land herrscht eine andere Situation, gibt es andere Probleme. "Die kann man nicht alle in den gleichen Sack werfen."

Letztlich hat der amtierende EU-Ratsvorsitzende Schwarzenberg aber doch ein kleines Lob für seine Auch-Heimat Österreich übrig. Die österreichische Initiative in Brüssel habe in der EU das Bewusstsein für den Ernst der Lage geweckt.

Kein spezielles EU-Sonderprogramm zur Hilfe für die Wirtschaften in Osteuropa, dafür aber Zusammenarbeit mit den internationalen Finanzinstitutionen zur Unterstützung und Solidarität mit den Ländern in der Region - auf diese "Ja, aber-Hilfe" einigten sich schließlich die EU-Staats- und Regierungschefs am vergangenen Sonntag beim Brüsseler Sondergipfel zur Wirtschaftskrise. Vizepremier Vondra warnt davor, dass sich die EU mit Konjunkturpaketen übernimmt. Im gleichen Atemzug ist er dagegen, dass die Nationalstaaten jetzt ihre Märkte abschotten: "Wir sollten weder unsere Nachbarn schädigen, noch die Zukunft unserer Kinder." Schwarzenberg assistiert: "Die EU hat keinen verborgenen Goldschatz."

Der wird eher in österreichischen Bankensafes vermutet. Deshalb auch die kaum verhehlte Schadenfreude (tschech.: skodolibost, engl.: feel spiteful). Warum aber die Fusionswelle österreichischer und anderer westeuropäischer Firmen in Mittel- und Osteuropa nicht nur Anhänger hat, lässt sich mit einer Frage beantworten, die dem Westler in Osteuropa gerne gestellt wird: "Wie hätte sich Westeuropa entwickelt, wären die USA den kriegsgebeutelten Ländern nach 1945 nicht durch günstige Wiederaufbaukredite, sondern durch systematische Firmenkäufe zu Hilfe geeilt?"

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