Kugelschreiber im KHM

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Mit einer Ausstellung des belgischen Künstlers Jan Fabre und seiner Kugelschreiberzeichnungen zieht Zeitgenössisches in die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums ein. Die Schau soll einen frischen Blick auf die Alten Meister ermöglichen.

Auf dem Kunsthistorischen Museum steht seit vergangener Woche ein weithin sichtbares Zeichen dafür, dass zeitgenössische Kunst einmal mehr Eingang in die heiligen Hallen gefunden hat - ja, sogar in das Allerheiligste, in die Gemäldegalerie, wo sogar Rubens verdeckt werden darf. Es ist der belgische Künstler Jan Fabre, dem die Gelegenheit geboten wird, mit den altehrwürdigen Meistern in künstlerischen Dialog zu treten. Neben, anstelle und vor den mit kostbarsten Farben auf Leinwänden aufgetragenen Gemälden hängen seine mit blauem Bic-Kugelschreiber überwiegend auf Papier, aber auch auf Seide und Fotopapier gezeichneten Werke. Inmitten der schillernde Schleier erzeugenden Kugelschreiberlinien finden sich Insekten, Tierkrallen, menschliche Körperteile und Schlangen.

Die Neugierde wecken

Dass das Kunsthistorische Museum einen solchen Eingriff in seine Sammlungspräsentation zulässt, ist von höchster Stelle nicht nur erlaubt, sondern sogar initiiert. Direktorin Sabine Haag war es, die Fabre dafür zu gewinnen versuchte - "Ich bin seit Jahrzehnten ein großer Fan seiner Arbeit“, so Haag zur FURCHE - und schließlich reüssierte, obwohl der Künstler zuerst skeptisch war. Dieser, den man hierzulande als Performer und Regisseur von den Wiener Festwochen, den Salzburger Festspielen und vom ImPulsTanz Festival her kennt, hatte, als ihr Angebot kam, bereits Ausstellungen im Pariser Louvre und im Museum der Schönen Künste in Antwerpen hinter sich und hatte eine Menge Einladungen.

"Mein erster Impuls war Skepsis, weil ich nicht kopieren wollte, was ich im Louvre gemacht hatte“, sagt Fabre, der dort Skulpturen, Installationen und Filme neben Klassikern gezeigt hatte. "Dann habe ich mir überlegt, dass Zeichnungen der Ausgangspunkt für all diese wunderbaren Gemälde, die ich von meinen letzten Besuchen so gut kannte, waren - und ich dachte, ich müsse eine Zeichenausstellung machen.“ Fabre entschied sich also dafür, die Gemäldegalerie mit 26 grafischen Arbeiten seines Zyklus "The Blue Hour (Die Blaue Stunde)“, der in den vergangenen 25 Jahren entstanden ist, zu durchsetzen. Zusätzlich führen zwei Skulpturen den Besucher in seine Schau.

Wer die Gemäldegalerie betritt, kommt an Fabre jedoch sowieso nicht vorbei, wird doch etwa ein Rubens-Gemälde gänzlich von einem 15 mal 5 Meter großen Seidentuch, das Fabre mit seinem Kugelschreiber bearbeitete, verdeckt. Fabre erklärt sein Konzept: "Normalerweise sind die Zeichnungen hinter den Gemälden, so holen wir sie einmal davor.“ Auch führe eine Verdeckung doch oft dazu, Neugierde für das zu wecken, was sich dahinter verbirgt. In den weiteren Räumen finden sich Fabres Zeichnungen neben Tizian, Rubens, Caravaggio und Bruegel. Die Hoffnung des Künstlers ist, dass man, "auch wenn man meine Arbeit nicht mag, einen frischen Blick auf die Meisterwerke bekommt“.

Auch KHM-Direktorin Sabine Haag spricht von einer "Möglichkeit zur Entdeckung unerwarteter Verwandtschaften und Verwandlungen“, von einem "vielfältigen Dialog“, den herzustellen "für uns ein großes Unterfangen war“, so Haag. Fabre weiß zu schätzen, dass man mit ihm kooperierte: "Es ist nicht einfach mit einem lebenden Künstler zu arbeiten. Rubens redet nie zurück“, sagt er kokett. "Manchmal hörte ich: ‚Nein, das geht nicht.‘ Aber das war eine schöne Aufgabe, eine Herausforderung für mich, die mich die hiesige Kunst besser kennenlernen ließ.“ Lange Rundgänge durch die Gemäldegalerie ließen sein Konzept entstehen, das nun, wie Haag es nennt, eine "spannende Auseinandersetzung mit den Gemälden“ ermöglicht - "und auch mit dem Naturhistorischen Museum“. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass KHM und NHM eine Kooperation eingegangen sind, die Fabres Faszination für Insekten zum Ursprung hat.

Anfang einer umfassenden Vorstellung

Denn der Zyklus "Die Blaue Stunde“ basiert auf Fabres Beschäftigung mit der Dämmerungszeit, jenen beiden Stunden in der Früh und am Abend, wenn sich Tag- und Nachttiere ablösen. Fabres Urgroßvater war Insektenforscher, auch Jan interessierte sich für diese Spezies, die seine Zeichnungen ebenso bevölkert wie Vögel, Schlangen und Fragmente des menschlichen Körpers; allen gemein ist die Verwendung des blauen Kugelschreibers, des wohl einfachsten und bescheidensten Mittels, das aber bei entsprechender Handhabung ein besonderes Glänzen erzeugen und die mysteriöse Tiefe eines dunklen Sees suggerieren kann.

Die Ausstellung ist der Anfang einer umfassenden Vorstellung des Künstlers Jan Fabre in Wien. Beim heurigen ImPulsTanz Festival werden gar einige seiner älteren Performance-Arbeiten von anderen Künstlern wie Wim Vandekeybus bearbeitet. Zudem sind Fabres Originalarbeiten "Preparatio Mortis“ und "Prometheus Landscape III“ zu sehen. Über kleinere Auftritte im Museum, die von ImPulsTanz-Intendant Karl Regensburger angestrebt sind, wird laut Sabine Haag noch verhandelt.

Jan Fabre. Die Jahre der Blauen Stunde

Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie Burgring 5, 1010 Wien,

bis 28. 8., Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

www.khm.at

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