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Auch zu Ostern lag Terri Schiavo im Wachkoma, nicht anders als seit 15 Jahren. Über das tragische Schicksal dieser Frau haben sich Familienkonflikte, Gerichtsurteile und Parteipolitik hergemacht. Die "Kultur des Lebens", vom Papst propagiert, von amerikanischen Fundamentalisten zum Schlachtruf erhoben, ist zum ideologischen Selbstläufer geworden. Dieselbe Politik, die bedenkenlos irakische Zivilisten als Kollateralschäden der Terrorbekämpfung in Kauf nimmt; dieselbe Politik, die ein Sozialsystem verantwortet, die das Überleben von der Finanzkraft abhängig macht; dieselbe Politik beschließt Nacht- und Nebelgesetze - um die arme Terri Schiavo zu retten? Keineswegs, sondern um bei der nächsten Wahl sicher auf die Stimmen der Fundamentalisten zählen zu können.

Es ist zu einfach, der "Kultur des Lebens" die "Kultur des Todes" gegenüber zu stellen. Denn was ist zwischen Karfreitag und Ostern geschehen? Der Auferstandene ist nicht der Überlebende, dem der Tod erspart wurde. Die Glaubwürdigkeit einer "Kultur des Lebens" ist an Bedingungen geknüpft. Wer zulässt, dass schuldlose Menschen im Bombenhagel umkommen, wer für die Todesstrafe eintritt und Gefangene ohne Prozess festhält, sollte bei Abtreibung und Euthanasie den Mund nicht so voll nehmen. Soviel zur Politik. Es gibt aber noch subtilere Hindernisse für eine glaubhafte "Kultur des Lebens". Die Kraft eines Menschen kann erlahmen, Ehen können zerbrechen, Traditionen können absterben. Wer Schwäche und Scheitern verleugnet und Traditionen festschreibt, behindert in Wahrheit das Leben.

Zwischen Tod und Leben liegt der Karsamstag - Tag des Abschieds und der Trauer. Nur wer die Endlichkeit ernst nimmt, dient dem Leben. Eine "Kultur des Abschieds" ist dringend nötig, damit Auferstehung möglich wird und sich neues Leben entfalten kann.

Der Autor ist freier Publizist.

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