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Der Wiener hält bald einmal etwas für Kultur, was schon immer so war, was man dem Fremden nicht erklären kann und worauf man gerade deshalb stolz ist. Die Kaffeehauskultur zum Beispiel. Der Zauber funktioniert aber nur, solange man selber daran glaubt. Viele Wiener (und Salzburger) Kaffeesieder tun das nicht mehr. Ihre Tradition ist ihnen powidl. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie, dem unseligen Beispiel des Café Landtmann folgend, ihren Gästen bestelltes Leitungswasser verrechnen. Während man in modernen Beiseln zum Wein automatisch ein Glas oder eine Karaffe serviert bekommt, werden bis zu 3,60 Euro für einen halben Liter in Etablissements kassiert, deren heiliges Gesetz dem Ober befiehlt, das Glas Wasser zum Kaffee unaufgefordert zu erneuern, solange der Gast da sitzt.

Der Geist des Geizes, des Nepps und der Kleinlichkeit verträgt sich nicht mit einer Atmosphäre der Muße und des Laissez-faire, in der einst die berühmte Kaffeehauskultur gedieh. Man traut sich das, weil man längst nicht mehr zuvorderst die einheimischen Gäste im Sinn hat, sondern ordentlich ausnehmbare Touristen, die eh nicht wieder kommen. Und das Kerngeschäft? Mein letzter Einspänner im Salzburger Café Tomaselli kam der Phänomenologie des Begriffs "Glschader" sehr nahe. Ein Profi-Test in Wiener Traditionscafés hat eine erbärmliche Kaffeequalität festgestellt: zu wenig Kaffee und schlecht gereinigte Maschinen. Hier wird etwas performiert, nicht weil man es so haben will, sondern weil der Tourist es "erwartet"(Musikberieselung!). Hier wird längst keine Kultur zelebriert, sondern ein Produkt verkauft. Man sehe sich die Adjustierung der Fiaker an: Die Kultur des Wienerischen ist eine, die, um mit Musil zu sprechen, "sich selbst irgendwie nur noch mitmacht". Sie verdient es nicht, dass man sie gegen Starbucks & Co. verteidigt.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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