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Outrierende Akteure

kammerspiele, wien

Drei Männer, die leicht geschürzt Ballett tanzen - da blieb schon vor 170 Jahren kein Auge trocken. Diese Szene sowie ein hinreißendes Duett der Hauptfiguren sind die raren Highlights der jüngsten Produktion in den Wiener Kammerspielen. Die Begegnung mit Nestroys Frühwerk "Nagerl und Handschuh oder Die Schicksale der Familie Maxenpfutsch" ist nicht uninteressant, aber keine Offenbarung. Nestroys genialer Wortwitz ist noch in den Kinderschuhen, anspruchslose Unterhaltung steht im Vordergrund: Parodistisch und satirisch werden Aschenbrödel-Fassungen (wie Rossinis "La Cenerentola") und Zauberstücke jener Zeit durch den Kakao gezogen. Monika Steiners Inszenierung gönnt den nach Herzenslust outrierenden Akteuren und dem Publikum eine Hetz ohne Tiefgang und ohne Gegenwartsbezüge. Die zwischen braver Naivität und ausgelassener Koketterie pendelnde Stella Fürst (Rosa) und ihr "Prinz" in Gestalt von Boris Eder (Rampsamperl) sowie das Musikerteam sind die Pluspunkte der Aufführung.

Heiner Boberski

Nationale Hysterie

volkstheater in den bezirken, Wien

Ein Markt in Zagreb: Vjera (Erika Mottl) und ihrer Freundinnen (Susanne Altschul, Sylvia Eisenberger, Irene Colin) treffen sich zum Bummel, ihre Gespräche kreisen Alltägliches. Fleischgeruch erregt ihren Ekel. Irgendwo werfen Kinder Knallfrösche. Später werden Schüsse fallen. Bedeutungsschwer weist die kroatische Autorin Zorica Radakovi´c in ihrem Stück "Die Nachbarin", das im Volkstheater in den Bezirken zu sehen ist, auf das Kommende.

Ihre Figuren, gebildete und in ihrer Selbsteinschätzung liberale Menschen, erleben - sehr realistisch dargestellt - die nationale Hysterie und Kriegsgefahr Anfang der neunziger Jahre als Veränderung, die sukzessive auch ihr Denken und Verhalten beeinflusst. Vjeras Mann (Robert Hauer-Riedl), ein Beamter, beugt sich den neuen Verhältnissen, ganz unterschiedlich reagieren die Frauen. Freundschaften zerbrechen.

Johanna Tomek hat die Komödie, die eher ein Lehrstück ist, zurückhaltend und nüchtern inszeniert. Allzu konstruiert wirkt das Ende: ein plötzlicher Wutausbruch Vjeras, dem die aufdringliche Nachbarin (Doris Weiner) zum Opfer fällt.

Annemarie Klinger

Fragile Schritte

festival imagetanz, wien

Loulou Omers "Kahlon (Fenster) für vier Frauen" eröffnete im Wiener Ambrosi-Museum das Festival "imagetanz 02". So fragil es wirkt, so intensiv vermittelt sich ihr, von den Bildern des israelischen Malers Yosl Bergners inspiriertes Tanzstück: vier Frauen, auf der Suche und beim Versuch etwas festzuhalten, eine Erinnerung, vielleicht eine Vision.

Drei Wochen lang wird "imagetanz 02" die Arbeiten lokaler und internationaler Choreographen und Tänzer vorstellen. Darunter im dietheater Wien: Philipp Gehmacher (5. März), der in den letzten Jahren international reüssierte. Zu entdecken gilt es Choreographen aus Osteuropa, wie Tatiana Gordeeva (18./19. März), ehemals Solistin des Staatsballetts Kremlin, mit Lisa Nelson (22./23. März) kommt eine Legende des amerikanischen Tanzgeschehens. Interessantes lassen Lux Flux (22./23. März) und Christine Gaigg (26. März) erwarten. Und ein weiterer Spielort wurde erschlossen: "Der Transparente Raum" von Valie Export, unter den Stadtbahnbögen Josefstädterstraße. (Informationen und Karten: 01 587 05 04)

Annemarie Klinger

JanáÇcek-Boom erreicht Wien

Staatsoper, wien

"LeoÇs JanáÇcek ist der wichtigste Opernkomponist des 20. Jahrhunderts" - da sind sich Ioan Holender und David Pountney einig. Logisch, dass der Staatsoperndirektor dem designierten Leiter der Bregenzer Festspiele die Produktion von "Jenufa", JanáÇceks 1904 uraufgeführtem Meisterwerk, an seinem Haus anvertraut hat - eine Aufführung, die den derzeitigen JanáÇcek-Boom auf heimischen Bühnen fortsetzt: "Katja Kabanova" (1998) und "Jenufa" (2001) bei den Salzburger Festspielen sowie "Katja Kabanova" jüngst am Linzer Landestheater. Wie in Linz wird nun auch in Wien deutsch gesungen (Übersetzung: Max Brod), ein Gräuel für Originalsprachenapologeten, aber eine wesentliche Erleichterung für das Verständnis der ebenso tristen wie packenden Geschichte aus dem ländlichen Mähren des 19. Jahrhunderts.

Am Pult der Staatsoper steht Seiji Ozawa und zaubert mit feinen Gesten vollendete Klangpracht und dramatische Wucht aus dem Graben. Ein wenig mehr Rücksicht würde aber auch dem neuen Liebling der Wiener Musikfreunde gut anstehen, denn leider deckt das Staatsopernorchester, vulgo Wiener Philharmoniker, das brillante Sängerensemble bisweilen laut-stärkemäßig zu.

Dennoch vermögen einige davon (Walter Fink, Helene Ranada, Renate Pitscheider) sogar in kleinen Partien zu glänzen, ebenso wie die vier stimmlichen Pfeiler der Aufführung: Agnes Baltsa als verbitterte Küsterin, die Verkörperung einer unbarmherzigen Moral, die in äußerster Konsequenz zum Kindesmord führt; Angela Denoke als deren Stieftochter Jenufa, die sich durch den Verlust von Geliebtem und Kind vom lebenslustigen jungen Mädchen zur abgeklärten Frau entwickelt; Torsten Kerl als gewissenloser ruraler Womanizer Stewa und Jorma Silvasti als impulsiver, aber grundguter Laca.

Michael Krassnitzer

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